Signale aus dem Darm

Wie Darmbakterien den Schlaf beeinflussen

Frau zeigt durch ihre Hände die Position des Darms
Zwischen Darmnervenzellen, Darmbakterien und Gehirn besteht ein reger Austausch von Informationen. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass schlechter Schlaf die Darmflora durcheinanderbringt. Kann eine gesunde Darmflora andersherum auch bei Schlafstörungen helfen? Bild: A-Basler/iStock/Thinkstock

Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn

Unser Darm hat unzählige Nervenzellen und wird deshalb auch als „zweites Gehirn“ oder „Darm-Hirn“ bezeichnet. Zwischen den Nervenzellen im Darm und denen im Gehirn herrscht ein permanenter Austausch: Informationen gelangen aus dem Darm ins Gehirn und umgekehrt. Botenstoffe, die man normalerweise aus dem Gehirn kennt, werden auch im Darm gebildet. Dazu zählen zum Beispiel das Glückshormon Serotonin und das Schlafhormon Melatonin.

Zudem nimmt auch die Darmflora Einfluss auf die Verbindung zwischen Darm und Nervensystem: Unsere Darmbakterien tauschen Signale mit den Nervenzellen aus und produzieren bestimmte Botenstoff-Vorstufen, die zum Gehirn gelangen – zum Beispiel die Aminosäure Tryptophan. Aus Tryptophan stellt der Körper im Gehirn Serotonin und Melatonin her.

Deshalb ist eine gesunde Darmflora nicht nur für den Darm wichtig. Inzwischen gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, dass bei Erkrankungen des Nervensystems oder der Psyche die Darmflora gestört ist. Eine Stärkung der Darmflora kann sich zum Beispiel bei depressiven Verstimmungen  als nützlich erweisen.

Schlechter Schlaf bringt die Darmflora durcheinander

Dass Ärger, Frust, Trauer oder Angst auf die Verdauung schlagen können, ist fast jedem bekannt: Wir bekommen zum Beispiel Magenschmerzen oder verlieren den Appetit. Inzwischen liegen auch Erkenntnisse vor, dass ein schlechter Schlaf den Darm beeinträchtigt: Personen mit Schlafmangel können eine veränderte Darmflora haben.

Bereits nach zwei kurzen Nächten veränderte sich die Darmflora von gesunden und normalgewichtigen Männern ungünstig – ähnlich, wie es auch bei stark übergewichtigen Personen beobachtet wurde. Das fand eine Forschergruppe im Jahr 2016 durch eine erste Vorstudie heraus. In der Studie schliefen die Probanden in zwei Nächten nur vier Stunden und 15 Minuten und anschließend in zwei Nächten die doppelte Zeit (8 Stunden und 30 Minuten). Sowohl vor und nach den zwei kurzen Nächten als auch vor und nach den langen Nächten wurden Stuhlproben entnommen und anhand dessen die Zusammensetzung der Darmflora bestimmt.

Warum sich die Darmflora durch wenig Schlaf veränderte und welche Folgen dies hat, ist allerdings noch unklar. Fest steht, dass die Darmflora ein komplexes System ist, das von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. Die Forscher vermuten, dass solche Veränderungen der Darmflora langfristig zu den Folgen von Schlafmangel  beitragen könnten – zum Beispiel zu Übergewicht, Diabetes oder anderen Stoffwechselerkrankungen. Aber um diese Annahme zu bestätigen, sind noch weitere Studien nötig.

Info

Bei starkem Übergewicht liegt ein gestörtes Verhältnis zwischen den Bakteriengattungen Firmicutes und Bacteroidetes vor: Firmicuten überwiegen. Derzeit wird erforscht, ob solche Bakterien Übergewicht fördern und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. 

Trägt eine gesunde Darmflora demnach zu einem besseren Schlaf bei?

Umgekehrt hat eine andere Forschergruppe im Jahr 2017 durch ihre Vorstudie nachgewiesen, dass Senioren, die nach ihrem Empfinden besser schliefen, auch eine gesündere Darmflora hatten. Es ist also gut möglich, dass eine gesunde Darmflora den Schlaf fördert.

Um dem auf den Grund zu gehen, untersuchten Wissenschaftler Anfang des Jahres 2019, welchen Einfluss Probiotika auf den Schlaf haben. Probiotika sind laut Definition lebende Bakterien, die im Darm ankommen, sich dort ansiedeln und einen gesundheitlichen Nutzen haben. Das heißt, Probiotika können zum Beispiel eine gestörte Darmflora wieder ins Gleichgewicht bringen.

Die Wissenschaftler belegten in ihrer Studie zum ersten Mal, dass eine Probiotika-Mischung für einen besseren Schlaf sorgen könnte: Im Rahmen einer ersten kleinen, hochwertigen Studie schliefen die Teilnehmer nach ihrem Empfinden besser und waren auch weniger müde, wenn sie ein Probiotikum einnahmen. Die knapp 40 gesunden Teilnehmer erhielten entweder ein Scheinmedikament (Placebo) oder eine Mischung aus probiotischen Bakterienarten: Lactobacillus fermentumLactobacillus rhamnosusLactobacillus plantarum und Bifidobacterium longum.

Diese Studienergebnisse bestätigen die bisherigen Beobachtungen. Allerdings sind auch hier noch weitere Studien nötig, um zu klären, ob Probiotika tatsächlich bei Schlafstörungen helfen können.

Ballaststoffe für eine gesunde Darmflora und erholsamen Schlaf

Fakt ist, dass unsere Ernährung Auswirkungen auf die Schlafqualität hat. Zum Beispiel liegt sehr fettiges Essen am späten Abend schwer im Magen und viele können dann nicht ruhig und entspannt schlafen. Es hat sich gezeigt, dass eine Ernährung, die reich ist an gesättigten Fetten, zu weniger Tiefschlafphasen führt. Tiefschlafphasen sind jedoch wichtig, damit wir uns am nächsten Tag erholt und ausgeschlafen fühlen. Gesättigte Fette kommen besonders reichhaltig in tierischen Lebensmitteln vor – zum Beispiel in Butter, Fleisch und Milch.

Ebenfalls schliefen die Teilnehmer schlechter, wenn sie wenig Ballaststoffe und viel Zucker aßen. Eine zuckerreiche Ernährung führt unter anderem dazu, dass geringere Mengen des Schlafhormons Melatonin gebildet werden sowie eine höhere Körpertemperatur herrscht. Beides sorgt wiederum für einen schlechteren Schlaf. Eine ballaststoffreiche Ernährung könnte dem also entgegenwirken.

Denkbar wäre aber auch eine Wirkung der Ballaststoffe über die Darmflora – insbesondere präbiotischer Ballaststoffe: Denn Darmbakterien brauchen solche Ballaststoffe als Nahrung. In einer Tierstudie führte eine Ernährung, die reich an präbiotischen Ballastoffen war, zu einem besseren Schlaf der Ratten, während sie in der Nacht Stress ausgesetzt waren. Studien an Menschen gibt es allerdings noch nicht.

Frau hält vor Schlaflosigkeit ihren Kopf zwischen zwei Kissen
Die Ernährung trägt wesentlich dazu bei, dass wir nachts gut schlafen. Probiotika und Ballaststoffe könnten einen guten Schlaf fördern. Viel Fett und Zucker beeinträchtigen dagegen die Schlafqualität. Bild: Lina Moiseienko/iStock/Getty Images Plus

Schlafstörungen? Ein Blick auf die Darmgesundheit lohnt sich

Es gibt komplexe Zusammenhänge zwischen dem Darm, den Nervenzellen und dem Gehirn, die bis heute noch nicht alle erforscht sind. Gefühle schlagen uns auf den Magen und schlafen wir schlecht, hat das Auswirkungen auf unsere Darmgesundheit: Die Darmflora kann sich schon nach wenigen kurzen Nächten verändern, was wiederum Folgen auf die gesamte Gesundheit haben könnte – vor allem, wenn wir dauerhaft schlecht schlafen.

Zu einem erholsamen Schlaf leistet die Ernährung einen wichtigen Beitrag. Folgende Regeln sind wichtig:

  • ausgewogen ernähren; mit wenig verarbeiteten Lebensmitteln
  • viele Ballaststoffe durch Obst, Gemüse und Vollkornprodukte verzehren
  • vor dem Schlafengehen keine stark fett und zuckerhaltigen Mahlzeiten einnehmen

Lässt sich ein schlechter Schlaf dadurch nicht verbessern, könnte sich auch ein gezielter Blick auf die Darmflora lohnen: Darmbakterien produzieren nämlich Botenstoff-Vorstufen und stehen im ständigen Austausch mit Nervenzellen. Ist die Darmflora gestört, könnte dies Auswirkungen auf den Schlaf haben. Durch probiotische Bakterien kann eine gestörte Darmflora wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, was sich ersten Studien zufolge sogar günstig auf den Schlaf auswirkt.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Anderson, J.R. et al. (2017): A preliminary examination of gut microbiota, sleep, and cognitive flexibility in healthy older adults. Sleep Med. 2017 Oct;38:104-107. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29031742, abgerufen am: 14.05.2019.

Benedict, C. et al. (2016): Gut microbiota and glucometabolic alterations in response to recurrent partial sleep deprivation in normal-weight young individuals. Mol Metab. 2016 Oct 24;5(12):1175-1186. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27900260, abgerufen am: 14.05.2019.

Bischoff, S.C. (2009): Probiotika, Präbiotika und Synbiotika, Georg Thieme Verlag Stuttgart New York.

Li, Y. et al. (2018): The Role of Microbiome in Insomnia, Circadian Disturbance and Depression. Front Psychiatry. 2018 Dec 5;9:669. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6290721/, abgerufen am: 14.05.2019.

Marotta, A. et al. (2019): Effects of Probiotics on Cognitive Reactivity, Mood, and Sleep Quality. Front Psychiatry. 2019 Mar 27;10:164. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30971965, abgerufen am: 14.05.2019.

St-Onge, M.P. et al. (2016): Fiber and Saturated Fat Are Associated with Sleep Arousals and Slow Wave Sleep. J Clin Sleep Med. 2016 Jan;12(1):19-24. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26156950, abgerufen am: 20.05.2019.

Thompson, R.S. et al. (2017): Dietary Prebiotics and Bioactive Milk Fractions Improve NREM Sleep, Enhance REM Sleep Rebound and Attenuate the Stress-Induced Decrease in Diurnal Temperature and Gut Microbial Alpha Diversity. Front Behav Neurosci. 2017 Jan 10;10:240.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28119579, abgerufen am: 20.05.2019.

Über die Autorin

Dr. med. Elke Mantwill

Frau Dr. med. Mantwill ist niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Phlebologie und Akupunktur. Die Tätigkeitsschwerpunkte in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis sind Ernährungs- und Sportmedizin. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der Orthomolekular-Medizin und ist seit 2002 als Referentin im Bereich der Ernährungs- und Orthomolekular-Medizin aktiv. Als begeisterte Ausdauersportlerin führt sie zudem Ernährungsberatungen für Leistungssportler durch.