Omega-3-Fettsäuren laut einer großen Studie wirkungslos – stimmt das?

Die ASCEND-Studie findet keinen Effekt von Omega-3-Fettsäuren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was sagt VitaminDoctor dazu?

Illustration Omega Zeichen aus Kapseln
Eine Studie der „University of Oxford“ aus England zeigt: Fischölkapseln mit Omega-3-Fettsäuren haben offensichtlich keinen Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was sind die Hintergründe? Bild: ksbank/iStock/Getty Images Plus

Was wurde untersucht?

Eine Studie der „University of Oxford“ aus England zeigt: Fischölkapseln mit Omega-3-Fettsäuren haben offensichtlich keinen Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Teilnehmer dieser Studie bekamen entweder ein Omega-3-Präparat oder ein Scheinmedikament. Nach im Mittel 7,4 Jahren wurde geschaut, wer einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitt und wer starb. Zwischen der Omega-3-Gruppe und der Gruppe mit dem Scheinmedikament gab es keine Unterschiede. Das ist für die Wissenschaftler Beweis genug, dass Omega-3-Fettsäuren wirkungslos sind. Doch stimmt das?

Info

Die Studie erschien unter dem Namen ASCEND-Studie: A Study of Cardiovascular Events in Diabetes.

Wie war die Studie aufgebaut?

An der ASCEND-Studie nahmen mehr als 15.000 Personen teil. Damit gilt sie als sehr groß und ist auf den ersten Blick durch den Vergleich mit einem Scheinmedikament hochwertig.

Dr. med. Rainer Spichalsky hat einige Bewertungskriterien zusammengestellt, die bei Studien zu Omega-3-Fettsäuren ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Den vollständigen Artikel dazu finden Sie hier . Die VitaminDoctor-Redaktion hat die ASCEND-Studie auf die Kriterien von Dr. Spichalsky für Sie überprüft:

  • Waren die Teilnehmer gesund oder krank? Betrachtet wurden Diabetiker (hauptsächlich Typ 2) ohne bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu Studienbeginn. Das Kriterium „Krankheit“ ist im Rahmen der Mikronährstoffmedizin also erfüllt. Interessant wäre aber auch, wie sich Omega-3-Fettsäuren auf die Entzündungswerte und auf andere Diabetesfolgen wie Nervenerkrankungen auswirken – bevor sie vollständig als wirkungslos bezeichnet werden. Diabetes geht immer mit einer chronischen Entzündung einher. Selbst wenn Omega-3-Fettsäuren bei Diabetikern keinen direkten Einfluss auf das Auftreten von Schlaganfall und Herzinfarkt haben, ist es wichtig, die Entzündung abzuschwächen. Eine etwas kleinere, aber dennoch große Metastudie mit mehr als 2.500 Teilnehmern zeigt: Omega-3-Fettsäuren können erfolgreich einige Entzündungswerte bei Diabetikern senken.
  • Welches Messergebnis hat die Studie? Die Wissenschaftler untersuchten, ob Herzinfarkte und Schlaganfälle auftraten oder nicht. Dieses Messergebnis ist zwar besser und greifbarer als die Messgröße „Tod“, allerdings ist es dennoch zu komplex: Sehr viele Faktoren haben einen Einfluss darauf. Körperliche Bewegung wurde zum Beispiel nicht betrachtet. Geeigneter wären Messgrößen wie die Dicke der Blutgefäßwände (Intima-Media-Messung) oder oxidiertes LDL-Cholesterin, um die Gefäßverkalkung zu untersuchen.
  • Wann wurden die Fischölkapseln eingenommen? Aus der Studie geht nicht hervor, ob die Fischölkapseln zur Mahlzeit eingenommen wurden oder nicht. Eine fetthaltige Mahlzeit beeinflusst aber die Aufnahme im Darm: Das Fett aus der Mahlzeit verbessert sie um den Faktor 13 – das ist enorm hoch.
  • Wie war die Dosierung? Die Teilnehmer bekamen täglich  1.000 Milligramm Omega-3-Fettsäuren, davon 460 Milligramm Eicosapentaensäure (EPA) und 230 Milligramm Docosahexaensäure (DHA). Das kann für einige zu wenig sein: Die Senkung erhöhter Blutfette (Triglyceride) ist zum Beispiel abhängig von der Dosierung der Omega-3-Fettsäuren. Erhöhte Triglycerid-Werte sind ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Triglycerid-Werte wurden allerdings in der Studie nicht untersucht. Einige Wissenschaftler glauben, dass 2.000 Milligramm nötig sind für einen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System.
  • Wie war die Versorgung vor der Studie? Die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren vor Beginn der Studie wurde nicht gemessen: Es gab weder eine Blutuntersuchung zum Gehalt an Fettsäuren, noch wurde die Ernährung erfasst. Fakt ist, wer sich gesund ernährt und viel Fisch isst, profitiert wenig von einer zusätzlichen Einnahme von Omega-3-Fettsäuren.

Olivenöl als Scheinmedikament – ist es geeignet?

Die Studie hatte zwar ein Scheinmedikament – dies ist ein wichtiges Qualitätskriterium in der medizinischen Forschung – allerdings handelte es sich um ein Präparat mit Olivenöl. Gerade zur Beurteilung der Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System ist Olivenöl als Scheinmedikament ungeeignet: Die Fettsäuren und Pflanzenstoffe aus Olivenöl selbst sorgen auch dafür, dass sich die Blutgefäße weit stellen. Eine Metastudie über 30 Studien liefert Hinweise, dass Olivenöl die Gefäßfunktion verbessert. Aussagekräftiger wäre also eine Studie mit einem Öl als Scheinmedikament, bei dem ein eigener Effekt ausgeschlossen werden kann.

Was bedeutet das Studienergebnis für die Praxis?

Omega-3-Fettsäuren sind aus der Mikronährstoffmedizin auch nach der ASCEND-Studie nach wie vor nicht wegzudenken: Sie sind die entzündungshemmenden Nährstoffe Nummer eins und spielen gerade bei entzündungsbedingten Krankheiten eine große Rolle – auch, wenn nicht immer ein unmittelbarer Einfluss auf sehr komplexe Messgrößen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nachgewiesen werden kann.

Es gibt kaum eine Studie zu Omega-3-Fettsäuren ohne methodische Lücken. Deshalb muss dies in den Schlagzeilen bei der Bewertung der Studien viel genauer dargestellt werden, bevor diese als vollkommen wirkungslos betitelt werden.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Nocella, C. et al. (2018): Extra Virgin Olive Oil and Cardiovascular Diseases: Benefits for Human Health. Endocr Metab Immune Disord Drug Targets. 2018;18(1):4-13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29141571, abgerufen am: 30.08.2018.

O'Mahoney, L.L. et al. (2018): Omega-3 polyunsaturated fatty acids favourably modulate cardiometabolic biomarkers in type 2 diabetes: a meta-analysis and meta-regression of randomized controlled trials. Cardiovasc Diabetol. 2018 Jul 7;17(1):98. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29981570, abgerufen am: 30.08.2018.

Pirillo, A & Catapano, A.L. (2013): Omega-3 polyunsaturated fatty acids in the treatment of hypertriglyceridaemia. Int J Cardiol. 2013 Dec 20;170(2 Suppl 1):S16-20. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23856442, abgerufen am: 30.08.2018.

Schlimpert, V. (2018): Fischölkapseln nützen einfach nichts! Ärzte Zeitung online, 28.08.2018. https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/article/970311/vernichtendes-urteil-fischoelkapseln-nuetzen-einfach-nichts.html, abgerufen am: 30.08.2018.

Schwingshackl, L. et al. (2015): Effects of Olive Oil on Markers of Inflammation and Endothelial Function-A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients. 2015 Sep 11;7(9):7651-75. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26378571, abgerufen am: 30.08.2018.

Tenenbaum, A. & Fisman, E. (2018): Omega-3 polyunsaturated fatty acids supplementation in patients with diabetes and cardiovascular disease risk: does dose really matter? Cardiovasc Diabetol. 2018 Aug 28;17(1):119. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30153832, abgerufen am: 30.08.2018.

The ASCEND Study Collaborative Group. (2018) Effects of Aspirin for Primary Prevention in Persons with Diabetes Mellitus. N Engl J Med. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1804989, abgerufen am: 30.08.2018.

Über den Autor

Redaktion