Säureblocker und Mikronährstoffe

Frau hat Sodbrennen und hält sich den Bauch

Der jährlich steigende Bedarf an Langzeit- und Kombinationstherapien mit Arzneimitteln mündet bekanntlich in einer Zunahme von Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und essenziellen Mikronährstoffen. Daher sind Kenntnisse über Interaktionen für die praktische Arbeit mit Patienten von großer Bedeutung. Die Beachtung dieser Interaktionen vonseiten des Arztes und Apothekers mit daraus resultierender medikationsorientierter Supplementierung ist zunehmend ein Kriterium für eine gute Arzneimittelverordnungspraxis. Bild: Tharakorn/iStock/Thinkstock

Säureblocker: So häufig werden sie eingenommen

Nach den Cholesterinsenkern vom Statin-Typ zählen die magensäureblockierenden Arzneimittel − allgemein auch als Protonenpumpenhemmer (PPI) bezeichnet − zu den weltweit am häufigsten verordneten Medikamenten. Allein in Deutschland werden fast eine Milliarde Euro pro Jahr mit Protonenpumpenhemmern umgesetzt, weltweit mittlerweile über 14 Milliarden Euro. Die Verordnungshäufigkeit hat sich zwischen 1997 und 2006 versechsfacht: Sie ist von 200 Millionen Tagesdosen auf 1.163 Millionen Tagesdosen angestiegen, ohne dass es dafür eine Erklärung durch die Zunahme der entsprechenden Krankheiten gibt.

Zu den wichtigsten Vertretern dieser Arzneimittelgruppe zählen Omeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol, Esomeprazol und Rabeprazol. Seit 2009 sind einige Säureblocker, wie Omeprazol und Pantoprazol in einer Dosierung von jeweils 20 Milligramm pro Tag rezeptfrei erhältlich.

Einsatzgebiete von Säureblockern

Protonenpumpenhemmer werden vor allem eingesetzt bei Entzündungen der Speiseröhre durch aufsteigende Magensäure (Refluxösophagitis), die zu ausgeprägtem Sodbrennen führen; außerdem in der Therapie von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren sowie in der Eradikationstherapie von Infektionen mit Helicobacter pylori.

Zusätzlich werden Protonenpumpenhemmer immer häufiger begleitend zu Schmerzmitteln wie Ibuprofen und Diclofenac verordnet, um die Magenschleimhaut zu schützen und der Entwicklung von Magengeschwüren vorzubeugen. Seit einigen Jahren sind Omeprazol- und Pantoprazol-haltige Arzneimittel auch rezeptfrei für die Selbstmedikation von Sodbrennen und saurem Aufstoßen in der Apotheke erhältlich. Aber rezeptfrei bedeutet grundsätzlich nicht nebenwirkungsfrei!

Häufige Nebenwirkungen: Magen-Darm-Infektionen und Knochenschäden

Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer PPI-Therapie zählen Kopfschmerzen, Durchfall und Übelkeit. Weitere Nebenwirkungen sind das Auftreten von Magen-Darm-Infektionen und eine Verminderung der Knochendichte. PPI können zur bakteriellen Besiedlung des normalerweise keimarmen oberen Magen-Darm-Trakts führen.

Im Hinblick auf Magen-Darm-Infektionen zeigen die Ergebnisse zweier Studienauswertungen (Metaanalysen) ein um 74 bis 94 Prozent erhöhtes Risiko für Clostridium-difficile-Infektionen. Clostridium difficile ist der häufigste Erreger von Durchfallerkrankungen. Die Ergebnisse einer britischen Langzeitstudie mit über 150.000 Probanden belegt, dass PPI auch den Knochen schädigen und das Risiko für Hüftfrakturen steigern kann. Besonders ältere Menschen sind davon betroffen, die wegen Schäden an der Magenschleimhaut (wegen peptischer Beschwerden) mit PPI länger als fünf Jahre behandelt werden.

Weitere Nebenwirkungen: Säureblocker erhöhen das Risiko für Demenzerkrankungen

In einer Studie an älteren Patienten (Anzahl = 3.327, Alter: ≥ 75) aus mehreren Therapiezentren war die Einnahme von PPI gegenüber Nicht-PPI-Anwendern mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz (Faktor: 1.38) und Morbus Alzheimer (Faktor: 1.44) verbunden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass PPI in Labor- und Tierversuchen die Anreicherung von Beta-Amyloiden erhöhen und die Belastung des Gehirns mit Beta-Amyloid-Ablagerungen steigern können. Solche Ablagerungen werden als ein Risikofaktor bei der Entstehung von Alzheimer diskutiert.

In einer aktuellen Pilotstudie an 60 gesunden Frauen und Männern (Alter: 20 – 26 Jahre) wurde der Einfluss einer kurzfristigen Einnahme (sieben Tage) von verschiedenen PPIs (wie zum Beispiel Esomeprazol, Lansoprazol, Pantoprazol, Omeprazol und Rabeprazol) auf verschiedene kognitive Funktionen untersucht (zum Beispiel auf Aufmerksamkeit, visuelles Gedächtnis, exekutive Funktionen, Kurzzeitgedächtnis). Im Rahmen der Studie wurde das Cambridge Neuropsychological Test Automated Battery (CANTAB) verwendet, ein Computerprogramm, das häufig in wissenschaftlichen Studien zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit eingesetzt wird. Dabei zeigte sich, dass bereits nach siebentägiger Einnahme eines PPI eine deutliche Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit nachweisbar war. Die stärksten negativen Effekte auf die kognitiven Funktionen hatten die PPIs Omeprazol, Pantoprazol und Lansoprazol. Esomeprazol zeigte die geringsten Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit.

Auswirkungen auf den Mikronährstoff-Haushalt

Protonenpumpenhemmer zählen zu den effektivsten Arzneistoffen bei der Hemmung der Magensäurebildung. Daher sind sie bei der Therapie von säurebedingten Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts Mittel der ersten Wahl. Die Wirkung der PPIs beruht darauf, dass sie ein Enzym (Protonenpumpe) in den Zellen der Magenschleimhaut langfristig blockieren, welches die Magensäure in den Magen pumpt. Dadurch wird die Magensäureproduktion verringert („die Säure geblockt“) und der pH-Wert im Magen bis zu 24 Stunden lang angehoben, das heißt, der Magensaft ist „weniger sauer“.

Doch was auf der einen Seite für die betroffenen Patienten gut ist, hat für den Haushalt essenzieller Mikronährstoffe, wie zum Beispiel Vitamin B12, Magnesium, Eisen und Calcium, schwere Folgen.

Problem: Vitamin B12

Bei langfristiger Einnahme von Protonenpumpenhemmern, wie Omeprazol oder Pantoprazol, können sich Störungen im Calcium- und Knochenstoffwechsel entwickeln, vor allem aber kann ein Mangel an Vitamin B12 auftreten. Denn Magensäure ist für die Aufnahme von Vitamin B12 aus Lebensmitteln – zum Beispiel aus Fleisch, Fisch, Eiern oder Milch – notwendig, da das an Eiweiße in der Nahrung gebundene Vitamin B12 mithilfe der Säure freigesetzt werden muss. Das freigesetzte Vitamin B12 wird danach an einen im sauren Magensaft gebildeten Transportfaktor gebunden, auch Intrinsic-Factor genannt. Der so gebildete Komplex aus Vitamin B12 und Intrinsic-Factor wird danach calciumabhängig über die Dünndarmschleimhaut ins Blut aufgenommen.

Dieser Prozess wird durch Omeprazol und andere Protonenpumpenhemmer, aber auch durch das Diabetesmittel Metformin, gehemmt und mündet langfristig in einem Vitamin-B12-Mangel. Auf diese Weise wird die zu 99 Prozent aktive und pH-abhängige Vitamin-B12-Aufnahme aus der Nahrung gehemmt.

Daneben können durch die Hemmung der Magensäureproduktion auch Magen-Darm-Infektionen mit krankmachenden Bakterien (zum Beispiel Clostridien, Yersinien) auftreten, weil diese Keime im nicht mehr so sauren Magen überleben. Yersinien sind zum Beispiel in der Lage, Vitamin B12 (Cobalamin) in nicht mehr für den Körper verfügbare Cobalamide umzuwandeln.

Die aktuellen Ergebnisse einer großen Fall-Kontroll-Studie mit über 210.000 Patienten zeigen, dass die Einnahme von Protonenpumpenhemmern (zum Beispiel Omeprazol) und H2-Rezeptorantagonisten (zum Beispiel Ranitidin) über mehr als zwei Jahre das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel um 65 beziehungsweise 25 Prozent erhöht.

Problem: Magnesium und Mineralstoffe

Auch die Aufnahme und Verwertung von Mineralstoffen wie Eisen, Calcium oder Magnesium wird durch PPIs gestört. Aktuelle Studien zeigen, dass unter der längerfristigen Einnahme eines PPI ein schwerer Magnesiummangel, eine sogenannte Hypomagnesiämie (< 0,76 Millimol pro Liter) auftreten kann, welche häufig in Verbindung mit einem Calcium- und Parathormonmangel gemeinsam in Erscheinung tritt. Wie aktuelle Studien zeigen, können PPIs die aktive Magnesiumaufnahme über den Darm beeinträchtigen.

Expertenwissen

PPIs stören die Ionenkanäle TRPM-6 und TRPM-7, die wichtig sind für den Transport von Magnesium durch die Zellen (→ transzellulärer Transport). TRPM-6 und TRPM-7 sind zusätzlich auch für die Rückresorption von Magnesium über die Nieren verantwortlich. Bei langfristiger Einnahme von PPIs kommt es hierdurch zu einer geringeren Aufnahme und zusätzlich zu einem gesteigerten Verlust an Magnesium über die Nieren.

Darüber hinaus kann ein Magnesiummangel zu einem Mangel an Calcium beitragen, da Magnesium auch entscheidend verantwortlich für die physiologischen Wirkungen von Vitamin D und Parathormon ist.

Empfehlung für die Praxis

Bei Patienten, die langfristig mit einem PPI behandelt werden, sollte der Vitamin-B12-Status anhand aussagekräftiger Blutparameter, wie Holo-Transcobalamin oder Methylmalonsäure, etwa einmal pro Halbjahr kontrolliert werden. Ein Mangel sollte entsprechend ausgeglichen werden (zum Beispiel 500 Mikrogramm Vitamin B12 pro Tag, per os (orale Gabe); oder 1.000 bis 2.000 Mikrogramm Hydroxocobalamin, intramuskulär).

Bei Patienten, die langfristig mit einem PPI behandelt werden, sollte auch der Mineralstoff-Haushalt anhand aussagekräftiger Blutparameter, wie Vollblut, kontrolliert und entsprechend kompensiert werden.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Gröber, U. et al. (2018): Important drug-micronutrient interactions: a selection for clinical practice. Crit Rev Food Sci Nutr. 2018 Dec 23:1-19. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30580552, abgerufen am: 14.01.2019.

Gröber, U. et al. (2013): Neuroenhancement with Vitamin B12: Underestimated neurological significance. Nutrients, 2013; 5(12): 5031-5045. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3875920/, abgerufen am: 12.12.2018.

Gröber, U. & Kisters, K (2017): Arzneimittel als Mikronährstoff-Räuber. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, 240 S., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2017.

Gröber, U. (2018): Arzneimittel und Mikronährstoffe – Medikationsorientierte Supplementierung. 4. aktualisierte Auflage, 540 S., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2018.

Über den Autor

Uwe Gröber

Uwe Gröber ist Leiter der Akademie für Mikronährstoffmedizin und zählt zu den führenden Mikronährstoffexperten Deutschlands mit seinen Spezialgebieten Pharmakologie, Mikronährstoffmedizin, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen, Metabolic Tuning, Ernährungs-, Sport- und Präventivmedizin sowie komplementäre Verfahren in der Diabetologie und Onkologie (z.B. Tumoranämie). Er ist europaweit seit Jahren aktiv in der Aus- und Fortbildung von Ärzten, Apothekern und Ernährungswissenschaftlern tätig, unter anderem als Dozent an der Dresdner International University (DIU). Zudem ist er aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie (PRIO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).