Doping für den Darm

Welchen Nutzen haben Probiotika im Sport?

Sportlerin zeigt mit dem Daumen nach oben
Probiotika regulieren die Darmflora und können Darmbeschwerden und Atemwegsinfektionen verringern. Bild: RyanKing999/iStock/Getty Images Plus

Trendthema Probiotika – sind sie auch im Sport sinnvoll?

Regelmäßige Bewegung scheint nicht nur gut für das Herz-Kreislauf-System zu sein. Auch die Darmflora (Mikrobiota) könnte profitieren: Im Rahmen einer Beobachtungstudie hatten Sportler und Sportlerinnen eine größere Vielfalt an Darmbakterien als Menschen, die nicht regelmäßig Sport treiben. Eine große Bakterienvielfalt geht mit einer besseren Darmgesundheit einher.

Hat ein gesunder Darm umgekehrt auch Einfluss auf die Fitness? Die Forschung zur Darmflora bezieht sich nicht nur auf Krankheiten. Auch stellen sich Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Frage, welchen Einfluss der Darm auf Leistung und Regeneration im Sport hat – vor allem, wenn die Darmflora aus dem Tritt geraten ist. Werden wir durch eine gesunde Darmflora fitter und hat die Ergänzung gesundheitsförderlicher Bakterien (Probiotika) einen Nutzen im Sport?

Weniger Darmbeschwerden für Läufer und Läuferinnen

Am bekanntesten ist die Wirkung auf den Darm: Probiotika stehen in Konkurrenz mit ungünstigen Bakterien und sorgen dafür, dass diese sich schlechter ansiedeln können. Dadurch stärken Probiotika auch die Darmschleimhaut, die dann weniger durchlässig ist für schädliche Stoffe. Zudem bilden Probiotika entzündungshemmende Fettsäuren (Butyrat). So lindern sie Blähungen, Durchfall und Co.

Obwohl Bewegung für die Darmflora gut ist, kann Laufsport den Magen-Darm-Trakt belasten. Man nennt dies „Läufermagen“ oder „Läuferdarm“. Symptome sind Bauchschmerzen, Übelkeit, saures Aufstoßen und Durchfall. Grund ist zum einen Stress – etwa durch Lampenfieber beim Wettkampf. Zum anderen nimmt die Durchblutung der Verdauungsorgane ab, denn das Blut wird in den Muskeln gebraucht. Die Folge ist eine Störung der Verdauungsfunktion. Mechanische Erschütterungen beim Laufen verstärken das Problem.

Eine Studie aus dem Jahr 2019 zeigt, dass ein Probiotikum mit Laktobazillen und Bifidobakterien Magen-Darm-Beschwerden während eines Marathons deutlich reduzierte – im Gegensatz zum Scheinmedikament (Placebo). Die Wirkung setzte bereits während des Trainings ein, nachdem die Sportler und Sportlerinnen das Präparat zwei Wochen lang genommen hatten.Andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten durch mehrere Studienauswertungen (Reviews) ebenfalls einen Nutzen.

Probiotika schützen im Sport nachweislich vor Erkältungen

Sport ist zwar gesund, auch für ein starkes Immunsystem; regelmäßige intensive Trainingseinheiten können allerdings eine Herausforderung sein. Denn durch intensives Training werden bestimmte Abwehrprozesse unterdrückt. Die Folge sind meist Erkältungen oder andere Infektionen der Atemwege.

Probiotika wirken nicht nur direkt auf den Darm. Sie stärken auch unser Immunsystem – und zwar über den Darm. Die Immunzellen sind im ständigen Kontakt mit den Darmbakterien. Das „trainiert“ die Abwehrzellen und wappnet sie besser vor einem Infekt.

Die Studienlage dazu ist umfangreich: Viele Forschergruppen schlussfolgern, dass Probiotika vor einer Atemwegsinfektion schützen könnten – vor allem, wenn Sportler und Sportlerinnen häufig betroffen sind und das Training regelmäßig pausieren müssen. Zum Beispiel war der Anteil an Sportlern und Sportlerinnen, die mindestens eine Woche lang unter einer Infektion litten, 36 Prozent höher, wenn sie ein Scheinmedikament bekamen anstelle eines Probiotikums. Diese hochwertige Studie lief über 16 Wochen.

Verbessern Probiotika auch die Fitness?

Bekannt ist, dass Probiotika Darmprobleme reduzieren und die Gesundheit unterstützen. Die Forschung zu einer besseren Leistung und Regeneration nach dem Sport steckt hingegen in den Kinderschuhen. Es gibt nur wenige Vorstudien:

  • Läufer und Läuferinnen hielten durch die Einnahme von Laktobazillen und Bifidobakterien bei extremen Temperaturbedingungen zwischen 35 und 40 °C länger durch.
  • Leistungseinbußen und Muskelspannen nach einem intensiven Training wurden durch Streptococcus thermophilus und Bifidobacterium breve reduziert.

Die genauen Mechanismen sind unklar. Möglicherweise spielt die entzündungshemmende Wirkung eine Rolle. Probiotika helfen außerdem, das Gleichgewicht zwischen freien Radikalen und Antioxidantien zu regulieren. Das verhindert oxidativen Stress, der wiederum Zellen schädigt.

Zudem vermuten Forscher und Forscherinnen, dass die Darmflora am Flüssigkeitshaushalt beteiligt ist: Sie könnte den Transport von Wasser und Mineralstoffen (Elektrolyte) durch die Darmschleimhaut regulieren. Eine gute Flüssigkeitsversorgung ist Voraussetzung für eine gute Leistung.

Fazit

Zur Vermeidung von Magen-Darm-Problemen und Atemwegsinfektionen bei Sportlern und Sportlerinnen liegen gute Daten vor. Eine Wirkung auf die Leistung und Regeneration ist weniger klar. Allerdings verbessern Probiotika indirekt die Leistung, indem man seltener krank ist und so kontinuierlicher trainieren kann.

Die Wirkung ist dabei abhängig vom Bakterienstamm und der Dosierung. Es ist noch nicht klar, welche Bakterien und Dosierungen für Sportler und Sportlerinnen sinnvoll sind. Nach aktuellem Kenntnisstand ist der Nutzen für die Gesundheit jedoch am größten, wenn das Präparat möglichst viele verschiedene Bakterienarten enthält.

Damit sich Probiotika im Darm ansiedeln, ist eine Dosierung von mindestens einer Milliarde (1 x 109) koloniebildenden Einheiten (KBE) nötig. Meist beträgt die empfohlene Dosierung 10 bis 15 Milliarden (10 bis 15 x 109). Sinnvoll ist die Kombination mit präbiotischen Ballaststoffen wie resistente Dextrine oder Stärke. Sie dienen probiotischen Bakterien als Nahrung.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über die Autorin

Dr. med. Elke Mantwill

Frau Dr. med. Mantwill ist niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Phlebologie und Akupunktur. Die Tätigkeitsschwerpunkte in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis sind Ernährungs- und Sportmedizin. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der Orthomolekular-Medizin und ist seit 2002 als Referentin im Bereich der Ernährungs- und Orthomolekular-Medizin aktiv. Als begeisterte Ausdauersportlerin führt sie zudem Ernährungsberatungen für Leistungssportler durch.