Vitamine sind gesund – das weiß jedes Kind. In der Mikronährstoffmedizin geht es jedoch um mehr als Vitamin C, das vor Erkältungen schützen soll: Mikronährstoffe – zu denen auch Vitamine gehören – sind eine der Grundlagen für einen gesunden Körper und damit auch für eine gesunde Psyche. Bei der richtigen Versorgung unterstützen sie das Wohlbefinden und mindern das Risiko für viele Krankheiten. Mehr noch: Bei vielen Erkrankungen können Mikronährstoffe auch therapeutisch eingesetzt werden und sogar ursächlich heilen. Erfahren Sie hier mehr über die Grundlagen und Ziele der Mikronährstoffmedizin.
Was ist Mikronährstoffmedizin?
Die Mikronährstoffmedizin wird auch „Orthomolekularmedizin“ oder "orthomolekulare Medizin" genannt. Dieser Begriff wurde vom zweifachen Nobelpreisträger Linus Pauling geprägt. „Ortho“ steht für „richtig“ oder „gut“ und „molekular“ für die „kleinsten Bausteine“. Es ist also die „Medizin der richtigen kleinsten Bausteine“. Von Linus Pauling stammt auch die folgende, vielfach zitierte Definition, die noch heute gültig ist:
„Orthomolekulare Medizin ist die Erhaltung guter Gesundheit und die Behandlung von Erkrankungen durch Veränderungen der Konzentration von Substanzen im menschlichen Körper, die normalerweise im Körper vorhanden und für die Gesundheit erforderlich sind.“
Im Klartext bedeutet dies: In der Mikronährstoffmedizin werden Stoffe eingesetzt, die in der Nahrung vorkommen oder in unserem Körper gebildet werden. Dazu gehören klassischerweise Vitamine und Mineralstoffe, aber auch sekundäre Pflanzenstoffe, essenzielle Fettsäuren, Aminosäuren und Enzyme wie Bromelain oder Laktase. Zudem werden inzwischen auch vermehrt Ballaststoffe oder spezielle Kohlenhydrate und Eiweiße eingesetzt, sodass sich die Grenzen zur klassischen Ernährungsmedizin mehr und mehr auflösen.
Auch körpereigene Hormone (Botenstoffe) und deren Vorstufen werden von der Definition Paulings erfasst. Dazu gehören unter anderem Insulin oder das Schlafhormon Melatonin.
Die Geschichte der Mikronährstoffmedizin
Die Arbeit von Linus Pauling basierte auf Forschungen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Damals wurde erkannt, dass es neben Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen weitere Stoffe in der Nahrung geben muss, die für den Körper notwendig sind: So waren viele Tausend Soldaten, Seeleute und Gefängnisinsassen an der Krankheit Beriberi gestorben, bis entdeckt wurde, dass sie eine Folge des Mangels an Vitamin B1 ist. Ähnliches gilt für die „Seefahrer-Krankheit“ Skorbut, die durch einen Vitamin-C-Mangel ausgelöst wird. Nach diesen Erkenntnissen konnten die beiden Krankheiten durch einfache Anpassungen der Ernährung in unseren Breiten fast vollständig ausgemerzt werden.
Linus Pauling empfahl in den 60er-Jahren des letzten Jahrtausends die Einnahme von extrem hoch dosierten Einzelstoffen. Er persönlich nahm zur Vorbeugung von verschiedenen Erkrankungen zum Beispiel 18 Gramm Vitamin C pro Tag ein. Zwar werden Empfehlungen dieser Art heutzutage nicht mehr oder nur noch in seltenen Einzelfällen ausgesprochen − aber die Prinzipien der von ihm begründeten Mikronährstoffmedizin sind weiterhin gültig.
Die Mikronährstoffmedizin: Aktueller denn je
Zwar ließen sich einige Behauptungen von Pauling nicht halten. Dennoch ist sein Ansatz, mit körpereigenen Stoffen und Nahrungsinhaltsstoffen zu arbeiten, hochaktuell. Ein Beispiel dafür ist die anerkannte Therapie von Osteoporose mit der Kombination von Calcium, Vitamin D, Vitamin K2 und Bewegung. Und auch wenn schwere Mangelerkrankungen wie Beriberi und Skorbut bei uns nur noch höchst selten auftreten, ist unsere Nährstoffversorgung häufig nicht ausreichend; zudem ist der Ausgleich von Mangelzuständen nur ein Aspekt der Mikronährstoffmedizin (Orthomolekularmedizin).
Erhöhter persönlicher Bedarf
Der persönliche Bedarf an einzelnen Nährstoffen kann durch verschiedene Faktoren so stark steigen, dass er mit normalen Mitteln kaum zu decken ist. Dazu gehören unter anderem
- verschiedene Krankheiten,
- einige Medikamente und
- bestimmte Genveränderungen.
In solchen Fällen müssen Mikronährstoffe gezielt eingenommen werden, um einem Mangel vorzubeugen oder ihn auszugleichen. Hier können Sie mehr darüber lesen, wodurch der persönliche Bedarf erhöht sein kann.
Einsatz von Mikronährstoffen unabhängig von ihrer eigentlichen Funktion
Manche Mikronährstoffe können neben ihrer eigentlichen Funktion noch anderweitig eingesetzt werden. Beispiel Vitamin B12: Eigentlich wirkt es als Teil von vielen Enzymen in unserem Körper. Es kann jedoch auch als Gegengift bei Blausäure-Vergiftungen eingesetzt werden.
Unsere Ernährung passt nicht zu unseren Genen
Unsere Gene sind auf einem „Stand“ von vor etwa 100.000 Jahren. Damals ernährten sich Menschen sehr abwechslungsreich und mit einer hohen Nährstoffdichte: viele Mikronährstoffe, Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Omega-3-Fettsäuren und hochwertige Aminosäuren bei verhältnismäßig wenig Kalorien. Auch Kohlenhydrate waren nur in geringem Maße enthalten. Dafür bewegten sich unsere Vorfahren viel. Auf diese Verhältnisse ist unser Körper optimal eingestellt.
Die moderne Ernährung hingegen ist reich an Energie und Kohlenhydraten. Der Gehalt an Mikronährstoffen ist im Verhältnis dazu gering. Zugleich bewegen sich die meisten Menschen zu wenig. An diese Bedingungen kann sich unser Körper nicht ausreichend anpassen. Die Folge ist eine Zunahme von Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes Typ 2, Osteoporose, Alzheimer oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Zugleich werden wir dank der modernen Medizin immer älter – nur leider nicht gesünder. Dies ist eine große Belastung für den einzelnen Menschen und die gesamte Gesellschaft.
Ziele der Mikronährstoffmedizin
Die Mikronährstoffmedizin zielt genau darauf ab, die Belastungen durch die zunehmenden Zivilisationserkrankungen zu vermindern:
- Vorbeugung ernährungsbedingter Erkrankungen
- Verbesserung der individuellen Gesundheit
- Optimierung einer medikamentösen Therapie
- Erhalt der Vitalität und Leistungsfähigkeit bis in das hohe Alter (Anti-Aging)
Dabei kann und soll sie die klassische Medizin ergänzen und nicht ersetzen. Mehr noch - die meisten Ärzte sind schon Orthomolekularmediziner, ohne es zu wissen: Das Verabreichen einer Eiseninfusion bei Eisenmangel oder von Insulin bei Diabetes sind klassische orthomolekularmedizinische Maßnahmen.
Vorteile der Mikronährstoffmedizin
Die Mikronährstoffmedizin hat mehrere Vorteile, die sie besonders bei chronischen Erkrankungen wertvoll macht (aber auch bei akuten):
Ursächliche Therapie
Oftmals ist eine ungünstige Ernährung Ursache oder Mitursache von Erkrankungen. Dann ist der Einsatz von Mikronährstoffen eine ursächliche Therapie, die als beste Option zu betrachten ist. Auch bei Krankheiten, deren Ursache auf entzündliche Vorgänge im Körper zurückzuführen ist, können entzündungshemmende Mikronährstoffe diese Ursache bekämpfen. In solchen Fällen kann der Einsatz von normalen Medikamenten mit ihren Nebenwirkungen überflüssig sein oder verringert werden.
Nebenwirkungsfrei
Da in der Mikronährstoffmedizin nur Wirkstoffe zum Einsatz kommen, die natürlicherweise im Körper vorhanden sind, ist sie – richtig angewandt – in den meisten Fällen nebenwirkungsfrei. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass man täglich irgendwelche Mikronährstoffe in hoher Dosis einnehmen sollte – das ist meist nutzlos und kann sogar gefährlich sein, wenn es zu Überdosierungen oder Wechselwirkungen mit Medikamenten kommt.
Dem Körper helfen, sich selbst zu helfen
Unser Körper ist in der Lage, viele Erkrankungen selbst zu bekämpfen, wenn er sonst gesund ist – besser, als die meisten Medikamente es können. Eine der Grundlagen dafür ist eine gute Nährstoffversorgung. Gerade bei chronisch Kranken ist dies wichtig: Viele Krankheiten und Medikamente verschlechtern die Versorgung mit Nährstoffen. Weitere Krankheiten sind die Folge, auch die bisherigen Krankheiten können sich verschlimmern. Dies ist ein Teufelskreis, den eine individuell angepasste Therapie mit Mikronährstoffen unterbrechen kann.
Nachhaltig
Eine Mikronährstofftherapie ist nicht umsonst – vor allem, da sie meist nicht von den Krankenkassen übernommen wird. Auf lange Sicht spart sie dennoch Kosten, auch für Patienten:
- Krankheiten entstehen gar nicht erst.
- Bestehende Krankheiten können wirksamer therapiert werden.
- Weniger Medikamente sind notwendig.
- Operationen oder andere teure Therapien können vermieden werden.
Grundlagen einer erfolgreichen Mikronährstofftherapie
Wie bei jeder anderen Therapie kann man auch bei einer Mikronährstofftherapie nicht einfach irgendetwas einnehmen und auf eine Wirkung hoffen. Daher sind unter anderem vorab folgende Fragen zu klären:
- Was ist die Diagnose (um welche Krankheit, welches Problem handelt es sich)? Ist dies nicht geklärt, sollten Sie einen Arzt aufsuchen und nicht auf Verdacht Mikronährstoffe einnehmen.
- Welche Mikronährstoffe wirken bei meiner Krankheit? Hierzu finden Sie auf VitaminDoctor viele Informationen. In den meisten Fällen können Sie sich so eine sinnvolle Mikronährstoffkombination zusammenstellen. Immer, wenn es nötig ist, steht an der entsprechenden Stelle, ob Sie zu einem bestimmten Mikronährstoff einen Arzt oder Heilpraktiker konsultieren sollten.
- Wie ist meine persönliche Versorgung mit Mikronährstoffen? Diese Frage kann meist nicht ohne einen Arzt oder Heilpraktiker geklärt werden, der bei Bedarf die entsprechenden Laboruntersuchungen vornimmt. Auch bei vielen Erkrankungen sind Laboruntersuchungen notwendig, um die Einnahme und Dosierung bestimmter Mikronährstoffe zu klären.
- Die Ausbildung des Therapeuten: Einige Ärzte sehen die Mikronährstoffmedizin kritisch − meist, weil sie die aktuelle Studienlage nicht kennen. Daher kann es sinnvoll sein, einen Arzt aufzusuchen, der Fortbildungen zu diesem Thema gemacht hat.
Weiterhin spielt die Qualität und Dosierung der eingesetzten Präparate eine große Rolle beim Erfolg einer Mikronährstofftherapie. Präparate sollten frei von Farbstoffen sein und nach Möglichkeit keine Hilfsmittel enthalten. Auch die Herkunft ist wichtig: Viele Produkte aus dem Ausland enthalten Verunreinigungen oder Stoffe, die in Deutschland verboten sind. Hier finden Sie weitere Informationen zu dem Thema.
Ist die Mikronährstoffmedizin wissenschaftlich oder esoterisch?
Die Mikronährstoffmedizin basiert auf einer hohen, stetig wachsenden Zahl an medizinischen Studien, die eindeutig Wirkungen belegen und damit eine sichere Grundlage für Therapie und Prävention bilden. Und das, obwohl es schwerer ist, Studien für Mikronährstoffe zu erstellen als für Medikamente: Medikamente nimmt man entweder ein oder nicht. Das macht es relativ einfach, eine Studie dafür zu erstellen. Mikronährstoffe hingegen werden meist schon über die Ernährung in unterschiedlichen Mengen aufgenommen. Dadurch sind auch die Speicher von Person zu Person unterschiedlich gut gefüllt. Zudem wirken viele Mikronährstoffe erst nach mehreren Wochen oder Monaten, sodass Studien über längere Zeiträume angesetzt werden müssen. Das erschwert Studien und macht sie teurer. Da es dennoch viele Studien mit klaren positiven Wirkungen gibt, zeigt, wie groß diese Wirkungen sind.
Hinzu kommen viele Wirkstoffe, bei denen Studien belegen, dass eine Wirkung wahrscheinlich ist, auch wenn sie nicht endgültig gesichert oder ganz klar ist, ob sie bei jeder Person eintritt. In solchen Fällen kann es einen Versuch wert sein, diese Mikronährstoffe einzusetzen und zu prüfen, ob sie im individuellen Fall helfen.
Wichtig zu wissen
Die Ernährung und damit auch die Versorgung mit Mikronährstoffen sind wichtig für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Aber sie sind nur ein Baustein von vielen für ein langes, gesundes Leben voller Vitalität: Ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, Treffen mit Freunden und anderen Dingen, die glücklich machen, gehören auch dazu.
Zusammenfassung
Die Mikronährstoffmedizin oder Orthomolekularmedizin nutzt Wirkstoffe aus der Nahrung und unserem eigenen Körper, um Krankheiten vorzubeugen und zu behandeln. Zu diesen Wirkstoffen gehören unter anderem Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Aminosäuren und essenzielle Fettsäuren. Sie behebt bei vielen Erkrankungen die Ursache und ist, richtig eingesetzt, nebenwirkungsfrei. Wichtig für einen Erfolg ist die Wahl der richtigen Wirkstoffe und Dosierungen für die vorliegende Erkrankung. Bei Bedarf sollte hierfür ein Arzt oder Heilpraktiker aufgesucht werden, der die Diagnose vornimmt und eine eventuell notwendige Labordiagnostik durchführt.