Können Senolytika das Altern aufhalten?

Forscher haben Stoffe gefunden, die alte Zellen aus dem Gewebe entfernen

Junge Frau posiert
Senolytika lösen alte Zellen auf. Dadurch wird das Gewebe in seiner Gesamtheit länger jung gehalten. Bild: master1305/iStock/Getty Images Plus

Kann man das Altern stoppen?

Diese Frage dürfte wohl so alt sein wie die Medizin. Der Alterungsprozess galt bisher als unumgänglich und unumkehrbar. Aber seit einiger Zeit wird Altwerden (Seneszenz) gezielt untersucht. Das führte zu der Erkenntnis, dass man Altern und viele Alterskrankheiten offensichtlich verlangsamen kann: Zum Beispiel wurden natürliche Stoffe gefunden, die alte Zellen auflösen. Man nennt sie Senolytika – übersetzt „Alter auflösend“. Dadurch wird das Gewebe in seiner Gesamtheit länger jung gehalten.

Anti-Aging ist also mehr als ein Modewort. Es gibt zunehmend Mittel und Wege, um das Altwerden zu beeinflussen. Erstaunlicherweise spielt der programmierte Zelltod (Apoptose) dabei eine wichtige Rolle. Warum das so ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Altwerden und Apoptose einfach erklärt

Zellen sind mit steigendem Alter weniger fit. Es entstehen zunehmend Schäden in der Erbsubstanz und die Aktivität der Gene verändert sich. Solche defekten Zellen nehmen im Alter zu.

Bemerkt die Zelle diesen Zustand, wird ein kontrollierter Zelltod eingeleitet. Man nennt ihn Apoptose. Dabei wird alles, was dem Körper gefährlich werden könnte, vorsorglich entsorgt: Bestimmte Enzyme, die Zellkraftwerke und die Erbsubstanz werden abgebaut – die Zelle zerfällt. Fresszellen räumen die Reste auf. Andere Zellen übernehmen dann die Regeneration. Geregeltes Sterben ist also für gesundes Gewebe unentbehrlich.

Was passiert, wenn der kontrollierte Zelltod ausbleibt?

In der Regel funktionieren Zelltod und Regeneration über viele Jahre sehr gut – theoretisch 120 Jahre lang. Sterben aber defekte Zellen nicht mehr ab, gibt es ernste Probleme:

  • Alte Zellen haben einen anderen Stoffwechsel und geben entzündliche Botenstoffe ab. Sie verursachen Entzündungen und Gewebezerstörung.
  • Dieser Prozess breitet sich aus und betrifft schließlich Zellen im ganzen Körper. Die Organfunktionen werden schlechter, der Stoffwechsel leidet und die Regeneration wird langsamer. All dies beschleunigt die Alterung.
  • Defekte Zellen stehen auch am Beginn der Krebsentwicklung: Wenn diese Zellen zusätzlich die Kontrolle über ihre Zellteilung verlieren, entwickelt sich unter Umständen ein Tumor.

Bei Menschen, die sehr alt werden, hat man herausgefunden, dass sie weniger alte und defekte Zellen haben. Es ist daher sehr wichtig, dass der geregelte Zelltod ungestört abläuft. Daher fragen sich Forscher, wie man den geregelten Zelltod gezielt auslösen kann. Senolytika sind dabei vielversprechende Stoffe.

Welche natürlichen Senolytika gibt es?

In der Natur gibt es viele Stoffe aus der Gruppe der Flavonoide, die im Labor senolytisch wirken. Sie unterstützen somit das geregelte Absterben von alten und geschädigten Zellen. Natürliche Senolytika kommen in pflanzlicher Nahrung vor, wie Obst, Gemüse und Tee. Beispiele sind:

  • Quercetin findet man unter anderem in Kapern, Liebstöckel, schwarzem Tee, Zwiebeln und Äpfeln.
  • Fisetin isoliert man aus dem Perückenstrauch; es ist aber auch in kleineren Mengen in Äpfeln, Trauben, Gurken, Erdbeeren und Zwiebeln enthalten.
  • Curcumin ist ein Naturstoff aus der Kurkuma-Wurzel.

Die Quercetin-Wirkung – Mittel gegen Altern?

Senolytika wie Quercetin sind bereits in Labor- und Tierversuchen gut untersucht worden. Von den vielen Wirkungen verlangsamen mehrere die Alterung.

Quercetin zum Beispiel

  • wirkt antioxidativ und antientzündlich. Beides tritt bei der Alterung vermehrt auf.
  • hilft dabei, den Müll der Zelle zu beseitigen. Müll stört den Stoffwechsel und beschleunigt das Altern.
  • bremst Gene, die bei der Alterung aktiv werden.
  • bringt alte und geschädigte Zellen zum Absterben.

Die Wirkung von Fisetin oder Quercetin zusammen mit dem Medikament Dasatinib war so stark, dass es die Lebenszeit von alten Versuchstieren verlängerte. Auch bei Curcumin wurden senolytische und weitere günstige Effekte auf Alterserscheinungen festgestellt. Es ist aber weniger wasserlöslich, was die Aufnahme im Darm und die Handhabbarkeit im Körper erschwert.

Wie gut ist die Wirkung der Senolytika in der Praxis?

In der Theorie sind Senolytika gut in Labor- und Tierversuchen untersucht.  Getestet hat man das bei  Alterskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Muskelschwund, Osteoporose und Alzheimer. Inzwischen sind auch erste Studien mit Menschen erschienen. Um die Wirkung zu verstärken, hat man jedoch Quercetin mit dem Medikament Dasatinib kombiniert.

Humanstudien mit Quercetin und Dasatinib gibt es zu diabetischem Nierenschaden und zu Lungenfibrose. Bei einigen Teilnehmern senkte die Kombination den Spiegel der Seneszenz-Botenstoffe. Bei Nierenschäden wurden auch weniger alte Zellen in der Niere gefunden. Ob sich die Funktion der Organe verbessert, ist weniger klar. Dazu müssen weitere Untersuchungen folgen.

Quercetin einnehmen: Lebensmittel enthalten viele Senolytika

Für ein gesundes Altern sind viele natürliche Senolytika wichtig. Flavonoide wie Quercetin wirken im Körper gezielt auf alte Zellen. Darum ist es wichtig, dass man täglich Flavonoid-reiche Lebensmittel isst. Eine pflanzliche Ernährung enthält eine Kombination vieler Stoffe, die günstig auf Alterserscheinungen wie oxidativen Stress und Entzündungen wirken. Es ist vermutlich sinnvoll, nicht nur auf einen Stoff zu vertrauen.

Dies gilt auch, wenn man Präparate mit natürlichen Senolytika kaufen und einnehmen möchte. Das Präparat sollte möglichst viele verschiedene Flavonoide in abgestimmter Dosierung enthalten – zum Beispiel mit 100 Milligramm Quercetin. Weitere Studien müssen jedoch folgen, um eine wirksame Dosierung zu ermitteln.

Expertenwissen

Die Studien mit isoliertem Quercetin zum Einnehmen sind noch nicht abgeschlossen, sodass man noch nicht genau sagen kann, in welcher Dosis Quercetin gegen Alterung sinnvoll ist. In einer ersten Studie wurde 1.000 Milligramm Quercetin für drei Tage eingenommen (zusammen mit 100 Milligramm Dasatinib). In anderen Studien mit Erkrankungen wie Gicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat man meist 500 bis 1.000 Milligramm eingesetzt.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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