High-Protein-Trend: Ist zu viel Eiweiß schädlich?

Warum Eiweißshake, Proteinriegel, Eiweißbrot und Co. nicht immer sinnvoll sind

Warum Eiweißshake, Proteinriegel, Eiweißbrot und Co. nicht immer sinnvoll sind
High-Protein-Produkte sind derzeit im Trend. In der Regel bringen diese jedoch keine Vorteile mit sich. Bild: iStock.com/MurzikNata

High-Protein- und Low-Carb-Lebensmittel im Trend

Produkte mit einem High-Protein-Label liegen im Trend. Die Bandbreite der mit Protein (Eiweiß) beworbenen Lebensmittel reicht von Eiweißbrot über Proteinriegel und Proteinpuddings bis hin zu Proteinchips. Aber auch Produkte wie Quark, die ohnehin einen hohen Proteingehalt haben, sind teilweise zusätzlich mit Protein angereichert. Die Hersteller haben die Nachfrage erkannt.

In der Tat ist Eiweiß ein wichtiger Nährstoff, der zahlreiche Funktionen im Körper hat und zum Beispiel für den Muskelaufbau wichtig ist. Daher sind eiweißreiche Lebensmittel insbesondere bei Kraftsportlern beliebt. Aber auch wer abnehmen will, achtet häufig auf eine kohlenhydratarme Ernährung und isst stattdessen viel Eiweiß. Es sättigt gut und beugt Heißhungerattacken vor. Es gibt daher mittlerweile auch viele Abnehm-Shakes zu kaufen. Doch wie sinnvoll sind Protein-Lebensmittel wirklich oder können diese sogar schädlich sein?

Info

Damit Lebensmittel das Label „High Protein“ tragen dürfen, müssen mindestens 20 Prozent des Energiegehalts aus Proteinen stammen. Ein Brot mit 100 Kilokalorien muss also mindestens 5 Gramm Eiweiß enthalten, um als Eiweißbrot zu gelten. Denn ein Gramm Protein liefert 4 Kilokalorien. Somit liegt der Proteinanteil (20 Kilokalorien) bei 20 Prozent des Energiegehalts.

Wie viel Protein am Tag brauchen wir?

Eiweiß setzt sich aus Aminosäuren zusammen und ist ein lebenswichtiger Baustoff für den Körper. Wir sind daher auf eine regelmäßige Zufuhr angewiesen. Wie viel Protein für den Muskelaufbau und andere Aufgaben nötig ist, hängt von vielen Faktoren ab wie dem Alter, dem Gesundheitsstatus und der Bewegung: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt gesunden Erwachsenen 0,8 Gramm Protein am Tag pro Kilogramm Körpergewicht. Das sind beispielsweise 56 Gramm für eine 70 Kilogramm schwere Person. Diese Empfehlung wird in Deutschland im Durchschnitt überschritten.

Andere Fachleute empfehlen je nach Situation eine höhere Eiweißzufuhr von zum Beispiel 1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht, um die positiven Effekte auf Sättigung und Muskelgesundheit zu nutzen. Das ist beispielsweise bei einer Gewichtsabnahme sinnvoll.  

Auch über 65-Jährige haben einen höheren Eiweißbedarf: Die tägliche Zufuhr sollte dann laut DGE bei einem Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegen.

Außerdem können für ambitionierte Sportler und Leistungssportler je nach Trainingsumfang 1,2 bis 2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht sinnvoll sein.

Auch in anderen Situationen kann der Bedarf höher sein und es leicht zu einem Proteinmangel kommen – beispielsweise bei Erkrankungen wie Infektionen oder in der Genesungsphase nach Operationen.

Sind High-Protein-Produkte gesund?

Es spricht nichts dagegen, ab und zu einen Proteinshake zu trinken oder einen Proteinriegel zu essen, um seinen Proteinbedarf im Alltag schnell und einfach zu decken. In den letzten Jahren sind jedoch viele weitere Produkte auf den Markt gekommen, die mit dem Zusatz „Protein“- beziehungsweise „High Protein“ beworben werden. Dazu gehören beispielsweise Puddings, Instant-Grießbrei, Protein-Chips oder auch Shakes, die zum großen Teil aus Zucker bestehen. Man sollte sich daher bewusst machen, dass solche „Protein“-Produkte nicht automatisch besser oder gesund sind.

Hier gelten die üblichen Qualitätskriterien. Oft hilft ein Blick auf die Inhaltsstoffliste – diese sollte möglichst kurz sein, um unnötige Zusatzstoffe zu vermeiden. Zahlreiche High-Protein-Produkte sind stark verarbeitet und enthalten viele Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel. Außerdem sollte der Zuckergehalt möglichst gering sein. Hinzu kommt, dass High-Protein-Produkte oft deutlich teurer sind als die herkömmlichen Varianten. Ein Proteinporridge mit 28 Gramm Protein kostet zum Beispiel etwa 1,40 Euro pro 100 Gramm. 210 Gramm Bio-Haferflocken enthalten etwa genauso viel Protein und es gibt sie ab etwa 0,40 Euro zu kaufen.

In bestimmten Fällen können High-Protein-Produkte jedoch sinnvoll sein. Proteinshakes sind zum Beispiel eine gute Ergänzung, wenn der Proteinbedarf erhöht ist und nicht einfach über die normale Ernährung gedeckt werden kann, zum Beispiel bei altersbedingtem Muskelschwund oder Krebs. Auch im Rahmen einer Gewichtsabnahme bei starkem Übergewicht (Adipositas) werden Eiweiß-Shakes in den offiziellen Therapieempfehlungen (Deutsche Adipositas-Leitlinie) als Mahlzeitenersatz empfohlen.

Ist zu viel Eiweiß schädlich?

Zu viel Protein ist für gesunde Menschen in der Regel kein Problem. Abbauprodukte von Eiweiß werden normalerweise über den Urin ausgeschieden. Laut europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit sind 1,6 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sicher – also die doppelte Menge der DGE-Zufuhrempfehlung.

Bei empfindlichen Personen kann zu viel Eiweiß zu Übelkeit, Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen und Verstopfung führen. In diesem Fall sollte die Menge reduziert oder über den Tag verteilt werden.

Neben der Trinkmenge sollte immer auch auf ausreichende Zufuhr an Ballaststoffen geachtet werden, sonst kann es zu Störungen der Darmflora (Mikrobiota) kommen, da (zu viel) Protein als „Futter“ für bestimmte Fäulnisbakterien im Darm wirken kann. Typische Symptome sind Blähungen, Völlegefühl oder weiche Stühle.

Ist die Niere bereits beeinträchtigt (Niereninsuffizienz), kann viel Protein die Nieren zusätzlich schädigen. Bei einer chronischen Nierenschwäche wird daher die Eiweißmenge begrenzt – insbesondere aus tierischen Lebensmitteln. Auch bei Gicht muss eine purin- und damit eher proteinarme Ernährung eingehalten werden. Betroffene sollten mit dem Arzt abklären, wie viel Eiweiß sie zu sich nehmen dürfen.

Fazit: besser auf natürliche proteinreiche Lebensmittel setzen

Der Proteinbedarf lässt sich für die meisten Menschen über die normale Ernährung decken. Anstatt teure und oft hochverarbeitete „High-Protein“-Lebensmittel zu kaufen, sollte man zunächst die natürliche Vielfalt nutzen: Lebensmittel mit viel Eiweiß sind zum Beispiel Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte. Auch pflanzliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Nüsse oder Haferflocken enthalten relativ viel Protein. Die Wertigkeit – insbesondere von pflanzlichem Eiweiß – steigt, wenn mehrere Quellen kombiniert werden.

Eiweiß-Produkte wie hochwertige Shakes können im Rahmen einer therapeutisch begleiteten Gewichtsabnahme oder in der Sporternährung als Ergänzung zu einer gesunden Basis-Ernährung eingesetzt werden.   

Eine über den individuellen Bedarf hinausgehende Proteinzufuhr bringt jedoch keine Vorteile mit sich.

Zur Unterstützung der Ausscheidung von Eiweiß-Abbauprodukten über die Nieren muss bei einer proteinreichen Ernährung genug getrunken werden – am besten etwa 1,5 bis 2 Liter Wasser am Tag.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Cai, J.: et al. (2022): High animal protein diet and gut microbiota in human health. Crit Rev Food Sci Nutr. 2022;62(22):6225-6237. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33724115/, abgerufen am 16.05.2023.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (2021): High-Protein-Produkte sind überflüssig - Extraportion Protein hat keinen gesundheitlichen Nutzen. Presseinformation; Presse, DGE aktuell 30/2021 vom 07.10.2021 https://www.dge.de/presse/pm/high-protein-produkte-sind-ueberfluessig/, abgerufen am 16.05.2023.

Ko, G. J. et al. (2020): The Effects of High-Protein Diets on Kidney Health and Longevity. J Am Soc Nephrol. 2020;31(8):1667-1679. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7460905/, abgerufen am 16.05.2023.

König, D. et al (2020): Proteins in sports nutrition. Position of the working group sports nutrition of the German Nutrition Society (DGE). Ernährungs-Umschau 2020; 67(7): 132–9. https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2020/07_20/EU07_2020_M406_M413_1.pdf, abgerufen am 16.05.2023.

Über den Autor

Niels Schulz-Ruhtenberg

Nils Schulz-Ruhtenberg ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin.  Nach dem Medizinstudium in Göttingen, Hamburg und Südafrika spezialisierte er sich auf Präventivmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin. In seiner Hamburger Arztpraxis bietet er seit 2001 modernste medizinische Diagnostik und Therapie an in Sachen Ernährung, Mikronährstoffe, Gewichtsreduktion, funktionelle Medizin und Leistungsoptimierung im Job und Sport an. Schwerpunkte sind die Vermeidung und Linderung von lebensstilbedingten Erkrankungen durch ein effektives Gesundheits- und Selbstmanagement. Im Mittelpunkt stehen dabei oft die Verbesserung der Stresstoleranz sowie die Steigerung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit durch natürliche nebenwirkungsfreie Methoden, z. B. durch eine optimale Nährstoffversorgung.