Probiotika: Vorbeugung von wiederkehrenden Harnwegsinfekten

Wie Probiotika krankmachende Bakterien verdrängen und das Immunsystem stärken

Probiotika unter einem Mikroskop
Bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten können Probiotika eine wirksame Maßnahme zur Vorbeugung sein. Bild: ClaudioVentrella/iStock/Getty Images Plus

Antibiotika stören das natürliche Bakteriengleichgewicht

Von einem wiederkehrenden Harnwegsinfekt spricht man, wenn der Infekt mindestens dreimal im Jahr auftritt. Vor allem Frauen sind anfällig dafür. Sie haben eine kürzere Harnröhre und die Bakterien können daher leichter in die Blase wandern.

Antibiotika werden zum einen zur Therapie einer Infektion eingesetzt. Zum anderen verschreiben Ärzte bestimmte Wirkstoffe zur Vorbeugung. Antibiotika töten in den Harnwegen Bakterien ab. Meist sind E.-coli-Bakterien (Escherichia coli) die Verursacher eines Infektes. Sie gelangen aus dem Darm durch eine Schmierinfektion zu den Harnwegen.

Allerdings greifen Antibiotika auch gesundheitsförderliche Bakterien in den Harnwegen an. Dazu gehören Laktobazillen, die ein wichtiger Bestandteil der natürlichen Mikrobiota sind. Sind zu wenig Laktobazillen vorhanden, kann die natürliche Barriere gegen krankmachende Bakterien beeinträchtigt sein. Dies könnte erst recht dazu führen, dass die Infektion wieder auftritt und zur Bildung von Resistenzen gegen Antibiotika beiträgt. 

Deshalb sind nebenwirkungsarme Ansätze zur Vorbeugung einer Harnwegsinfektion wichtig, bei denen keine Resistenz entsteht. Dazu gehört unter anderem die gezielte Ergänzung von gesundheitsförderlichen Laktobazillen – den Probiotika. 
 

Info

Bei einem Harnwegsinfekt sollte man einen Arzt aufsuchen. In schweren Fällen sind Antibiotika unverzichtbar. Andernfalls kann es zu Komplikationen kommen, beispielsweise zu einer Nierenbeckenentzündung. Ärzte beurteilen die Erkrankung anhand der Stärke der Beschwerden sowie einer Keimbestimmung im Urin.

Wie wirken Probiotika bei Harnwegsinfektionen?

Probiotika sind laut Definition kleinste Lebewesen (Mikroorganismen), vor allem Bakterien. Sie haben einen gesundheitlichen Nutzen für ihren Wirt, wenn sie lebend und in ausreichender Menge zugeführt werden. Für den Menschen und Harnwegsinfektionen bedeutet das: 

  • Probiotika konkurrieren mit krankmachenden Bakterien um Nährstoffe und Andockstellen an den Schleimhäuten. Das Andocken krankmachender Bakterien löst eine Infektion aus. Somit verdrängen Probiotika krankmachende E.-coli-Bakterien. Dabei müssen Probiotika bei Frauen nicht zwangsläufig vaginal eingesetzt werden. Studien zeigen, dass sich die Einnahme von Probiotika-Kapseln günstig auf die Bakterienzusammensetzung des Darms und der Scheide auswirken kann. Dadurch gelangen auch weniger E.-coli-Bakterien in die Harnwege.
  • Grundsätzlich stärken Probiotika das Immunsystem. Das sogenannte darmassoziierte Immunsystem macht einen großen Teil unserer Abwehr aus. Es befindet sich in der Schleimhaut des Darms und ist so im ständigen Austausch mit den Bakterien. Dadurch wird das Immunsystem angeregt und letztendlich „trainiert“. Ein immunstärkender Effekt  wurde bereits in zahlreichen Studien nachgewiesen.
     

Studien zur Probiotika-Einnahme bei Harnwegsinfekten

Es gibt viele Hinweise auf die vorbeugende Wirkung von Probiotika. In einer ersten Studie  wirkten Probiotika zum Beispiel vergleichbar gut wie Antibiotika: Zu Beginn der Studie hatten die Teilnehmerinnen etwa 7,0 Infektionen pro Jahr. Nachdem sie ein Jahr lang Laktobazillen einnahmen, waren es mit 3,3 Infektionen deutlich weniger. Mit dem Antibiotikum traten vergleichbare 2,9 Infektionen pro Jahr auf. Die Forscher schlussfolgerten, dass Probiotika zwar etwas schwächer wirkten, dafür aber die Rate an antibiotikaresistenten Bakterien nicht stieg. Das ist ein entscheidender Pluspunkt. 

Ob Probiotika allein jedoch immer einen Effekt haben, ist noch nicht klar bewiesen. Es gibt auch Studien ohne ein positives Ergebnis. Allerdings schlussfolgerten Forscher durch eine Studienauswertung, dass Probiotika eine Antibiotika-Therapie begleiten können. Möglicherweise steigern sie die Wirkung von Antibiotika : Kinder, die beides zusammen erhielten, hatten weniger wiederkehrende Harnwegsinfekte mit Fieber als Begleitsymptom verglichen mit Kindern, die nur ein Antibiotikum zur Vorbeugung bekamen. Wichtig ist, dass Probiotika mit einem zeitlichen Abstand von zwei bis drei Stunden zum Antibiotikum eingenommen werden. Andernfalls töten die Wirkstoffe die gesundheitsförderlichen Bakterien direkt ab.

In Studien waren vor allem folgende Bakterienarten erfolgreich: Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus reuteri, Lactobacillus plantarum und Lactobacillus paracasei. Es gibt sogar Hinweise , dass die Einnahme von Probiotika besser ist als die Anwendung von Vaginalzäpfchen. Wahrscheinlich hat die Einnahme eine bessere Akzeptanz.

Empfehlung

Damit probiotische Bakterien lebend im Darm ankommen, sollte die Dosierung mindestens bei einer Milliarde Bakterien liegen. Ideal bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen sind 10 bis 20 Milliarden Bakterien (10 bis 20 x 109 koloniebildende Einheiten). Damit Probiotika ihre gesundheitsfördernde Wirkung entfalten können, müssen sie über mehrere Monate regelmäßig eingenommen werden. Setzt man sie ab, verschwinden die Bakterien wieder.

Am besten sind Präparate mit mehreren Bakterienarten (Multispezies-Präparat). Unterschiedliche Arten unterstützen sich in ihrer Wirkung und können sich wahrscheinlich besser im Darm ansiedeln. Gute Hersteller verwenden außerdem säureresistente Kapseln: Magensäure tötet die Bakterien ab.

Zur Stärkung des darmassoziierten Immunsystems ist auch eine Kombination mit Präbiotika sinnvoll. Das sind bestimmte Ballaststoffe wie resistente Stärke und Dextrine, die den probiotischen Bakterien als Nahrung dienen.

Tipp

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Stoffe, die bei Harnwegsinfekten die Therapie unterstützen können. Zum Beispiel gehören Mannose und Cranberry-Extrakt dazu. Lesen Sie im Text „Harnwegsinfekte“, wie man sie richtig einsetzt und welche Mikronährstoffe außerdem einen positiven Nutzen haben.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über die Autorin

Dr. med. Annette Balz-Fritz

Frau Dr. med Balz-Fritz ist niedergelassene Ärztin mit dem Schwerpunkt Urologie, Proktologie, Ernährungs- und Präventionsmedizin in einer urologischen Gemeinschaftspraxis. Sie erwarb im Februar 2001 die Zusatzqualifikation zur Ernährungsmedizinerin in DAEM/DGEM und qualifizierte sich zum Männerarzt (CMI Institut). Frau Dr. med. Balz-Fritz ist Mitglied bei der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM), bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin und beim Berufsverband Deutscher Ernährungsmediziner.  Wenn ihre Arbeit in der gemeinsamen  Praxis und das Familienleben ihr noch Zeit lassen, treibt sie gerne Sport und ist eine begeisterte Köchin.