Die Aminosäure Lysin ist besonders wichtig für die Zellteilung und den Aufbau von Eiweißen im Körper. So kommt Lysin in Eiweißen vor, die zum Beispiel zum Aufbau der Haut, Knochen und Sehnen gebraucht werden. Lesen Sie hier, bei welchen Erkrankungen Lysin in der Mikronährstoffmedizin eingesetzt wird, wie es eingenommen werden sollte und was es zu beachten gibt.
Eigenschaften und Vorkommen in Lebensmitteln
Was ist Lysin und welche Eigenschaften hat es?
Lysin ist ein lebenswichtiger Eiweißbaustein (Aminosäure). Der Körper kann Lysin nicht selbst herstellen, sondern ist auf die Zufuhr durch die Ernährung angewiesen. Lysin ist in erhitzten Lebensmitteln ein wichtiger Geschmacksträger: Es verbindet sich mit Zuckern und ist an der Geschmacksbildung und Bräunung beim Backen von Brot, beim Braten von Fleisch oder Rösten von Cerealien beteiligt.
In Lebensmitteln kommt ausschließlich L-Lysin vor. Zwar gibt es auch D-Lysin, jedoch ist diese Form für den Menschen unbedeutend und kann vom Körper nicht verwendet werden. Wird grundsätzlich von Lysin gesprochen, ist daher immer L-Lysin gemeint.
Lysingehalt in Lebensmitteln
Lysin findet sich hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch und Fisch. Hingegen sind die meisten pflanzlichen Nahrungsmittel wie Getreide und Kartoffeln eher arm an Lysin – mit Ausnahme von eiweißreichen Hülsenfrüchten wie Kidneybohnen. Sie sind auch für Veganer wichtige Lieferanten von Lysin.
5 wichtige Lysin-Lieferanten | Milligramm (mg) pro 100 Kalorien (kcal) | Milligramm pro 100 Gramm (g) |
---|---|---|
Fleischextrakt | 2.920 | 5.024 |
Stockfisch (tiefgefroren) | 2.452 | 6.940 |
Milcheiweiß | 1.720 | 5.816 |
Schaf, Hinterhaxe (getrocknet) | 1.570 | 6.638 |
Rind, Keule (getrocknet) | 1.226 | 5.921 |
Hinweis: Werte können schwanken.
Bestimmte Zubereitungsmethoden können den Lysingehalt verringern. Besonders Grillen oder Braten senkt die Lysinmenge in Nahrungsmitteln, die sowohl Eiweiß (einschließlich Lysin) als auch Zucker enthalten. Durch die hohen Temperaturen verbindet sich Lysin mit den Zuckern. Einerseits sorgt dies für Farbe und Geschmack, anderseits steht Lysin so dem Körper weniger gut zur Verfügung. Kochen oder schonendes Garen hingegen kann helfen, verwertbares Lysin in Lebensmitteln zu erhalten.
Bedarf und Funktionen im Körper
Wie hoch ist der tägliche Bedarf an Lysin?
Forscher schätzen den täglichen Bedarf an Lysin auf 30 Milligramm Lysin pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einer 70 Kilogramm schweren Person entspricht das 2.100 Milligramm. Andere Wissenschaftler gehen von einem täglichen Lysinbedarf von 800 bis 3.000 Milligramm aus.
Im Allgemeinen ist die Versorgung mit Aminosäuren und Eiweißen in Deutschland aufgrund des hohen Verzehrs an tierischen Lebensmitteln sehr gut. Auch bei niedriger Eiweißzufuhr von 50 Gramm pro Tag werden durchschnittlich 2.000 bis 2.500 Milligramm Lysin zugeführt. Wird sehr viel tierisches Eiweiß gegessen, kann die Lysinzufuhr sogar bis zu 9.000 Milligramm täglich betragen.
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Lysin: Aufnahme und Speicherung
Lysin wird nach dem Verzehr im Dünndarm aufgenommen. Der Transport über die Darmschleimhaut erfolgt aktiv. Das bedeutet, dass der Körper Energie aufwenden muss, damit Lysin aus dem Darm in das Blut gelangt. Wie gut Lysin aufgenommen wird, unterscheidet sich höchstwahrscheinlich von Person zu Person.
Nachdem Lysin den Dünndarm passiert hat, gelangt es zur Leber. Dort wird Lysin hauptsächlich zum Aufbau von Eiweißen genutzt. Der Körper kann Lysin aber auch in Fette oder Zucker umwandeln, die letztendlich Energie liefern.
Fünf bis sieben Stunden nach der Lysinaufnahme finden sich große Mengen in der Muskulatur wieder. Forscher vermuten, dass die Muskulatur als Speicher für freies Lysin dient.
Welche Funktionen hat Lysin?
Als lebenswichtige Aminosäure hat Lysin unterschiedliche Aufgaben im Körper:
Aufbau von Eiweißen und Stoffwechsel: Lysin ist ein wichtiger Baustein von Eiweißen – zum Beispiel von Kollagen (wichtiger Bestandteil von Haut, Knochen und Sehnen) und Elastin (Eiweiß in Lunge und Haut). Zudem ist Lysin an der Teilung von Körperzellen beteiligt sowie an der Bildung von L-Carnitin (wichtig für die Energieproduktion) und an der Erzeugung von Bausteinen für das Erbgut.
Knochengesundheit: Lysin fördert die Produktion von Kollagen, das für feste Knochen sorgt. Daneben könnte Lysin den Calciumstoffwechsel fördern und die Ausscheidung von Calcium über den Urin verringern, sodass letztendlich weniger Calcium verloren geht. Calcium ist für die Härte des Knochens verantwortlich. Zudem vermuten Forscher, dass Lysin das Knochenwachstum fördert.
Immunsystem und Hemmung von Herpesviren: Lysin ist wichtig für ein funktionierendes Immunsystem, denn viele Bestandteile des Immunsystems bestehen aus Eiweißen – zum Beispiel Antikörper oder Entzündungsbotenstoffe. Zudem steht Lysin im Körper in Konkurrenz mit der Aminosäure Arginin. Liegt viel Lysin vor, wird die Verfügbarkeit von Arginin reduziert. Vor allem Herpesviren brauchen jedoch Arginin als Nahrung. Lysin kann daher die Vermehrung der Viren hemmen.
Mangel erkennen und beheben
Anzeichen eines Lysinmangels
Symptome eines Lysinmangels sind eine erhöhte Infektanfälligkeit und Wundheilungsstörungen. Zudem können Müdigkeit, Erschöpfung, Schwindel, Gewichtsverlust, Reizbarkeit und Blutarmut (Anämie) auftreten. Eiweißmangel führt zu einem gestörten Knochenstoffwechsel und bei Kindern zu Wachstumsstörungen.
Wer hat ein erhöhtes Risiko für einen Mangel an Lysin?
Ein erhöhtes Risiko für einen Lysinmangel können folgende Personen haben:
- Neugeborene und Kleinkinder
- Menschen mit Osteoporose
- Personen mit Herpes
- Veganer oder Vegetarier
- Sportler, die regelmäßig intensives Training betreiben
- Personen mit Mangel- und Fehlernährung
Lysin: Mangel erkennen
Der Arzt kann die Lysinversorgung im Blut ermitteln. Der Wert sollte bei Erwachsenen zwischen 82 und 239 Mikromol pro Liter Blutserum liegen. Das Blutserum ist die Flüssigeit des Blutes ohne Blutzellen. Genaue Grenzwerte, ab wann man von einem Mangel spricht, gibt es aber nicht.
Lysin im Blutserum in Mikromol pro Liter (μmol/l) | |
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Normalwerte für Erwachsene | 82 und 239 |
Unterversorgung mit Lysin ausgleichen
In der Regel wird der Lysinbedarf über die Ernährung gedeckt. Wenn dies nicht möglich ist oder ein erhöhtes Risiko für einen Lysinmangel vorliegt, kann die Einnahme von 500 bis 1.000 Milligramm Lysin pro Tag sinnvoll sein.
Oft ist eine generelle Unterversorgung mit Eiweißen Grund für einen Lysinmangel. Da dann auch ein Mangel an anderen lebensnotwendigen (essenziellen) Aminosäuren vorliegt, empfehlen Mikronährstoff-Experten deshalb bei einem Mangel häufig ein Kombinationspräparat mit allen essenziellen Aminosäuren.
Dosierungsempfehlung von Lysin pro Tag | |
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Mangel | 500 bis 1.000 Milligramm (mg) |
Einsatz bei Krankheiten
Lysin kann gegen Herpes helfen
Lysin konkurriert mit der Aminosäure Arginin um die Aufnahme im Darm. Lysin kann zudem den Abbau von Arginin auslösen und so die Verfügbarkeit von Arginin herabsetzen. Herpes-Simplex-Viren, die unter anderem Lippenherpes verursachen, sind jedoch auf Arginin angewiesen: Sie brauchen es für ihr Wachstum. Liegt also viel Lysin vor, wird den Herpesviren automatisch Arginin entzogen. Durch die Beeinflussung des Lysin-Arginin-Verhältnisses im Körper kann daher dem Ausbruch einer Herpeserkrankung entgegengewirkt werden.
Verschiedene vorläufige und kleine hochwertige Studien zeigen, dass Lysin sowohl vor Herpes schützen kann als auch bei der Behandlung von Herpes hilft. Folgende Effekte wurden durch die Einnahme von Lysin beobachtet:
- selteneres Auftreten von Herpeserkrankungen im Vergleich zum Studienbeginn oder im Vergleich zu einem Scheinmedikament
- kürzere Dauer der Herpeserkrankungen und schnellere Heilung
- weniger Herpessymptome
In den Studien setzten Forscher Dosierungen zwischen 300 und 3.000 Milligramm Lysin pro Tag ein, für zwei Monate bis zu insgesamt drei Jahren.
Hingegen konnten Forscher mit einer Übersichtsarbeit zur Auswertung der Studienlage keinen Effekt von Lysin feststellen. Insgesamt ist die Wirkung von Lysin gegen Herpes daher nicht abschließend nachgewiesen. Sie scheint aber möglich zu sein – insbesondere, wenn die Lysineinnahme von einer argininarmen Ernährung begleitet wird.
Tipp
Welche Lebensmittel wenig Arginin enthalten, können Sie mithilfe der Nährstofftabelle herausfinden. Wählen Sie dazu Arginin aus und sortieren Sie die Tabelle „aufsteigend“. Lebensmittel, die viel Lysin, aber wenig Arginin enthalten, sind zum Beispiel Käse, Joghurt oder Avocados.
Auch die Höhe der Dosierung hat einen Einfluss auf die Wirksamkeit von Lysin bei Herpes. Eventuell muss man die passende Menge austesten, da die Lysinaufnahme im Darm individuell schwankt.
Zum Schutz vor Herpes empfehlen Mikronährstoff-Experten die Einnahme von 500 bis 1.000 Milligramm Lysin pro Tag. Bei akuten Herpesausbrüchen werden bis zu 3.000 Milligramm täglich empfohlen, bis die Beschwerden abgeklungen sind. Beginnen Sie möglichst zeitnah nach dem Herpesausbruch mit der Einnahme. Die Menge sollte dabei über den Tag verteilt werden, um eine Wirkung über den gesamten Tag zu erreichen – zum Beispiel dreimal täglich 1.000 Milligramm.
Dosierungsempfehlungen auf einen Blick
Dosierungsempfehlung von Lysin pro Tag in Milligramm (mg) | |
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Vorbeugung von Herpes | 500 bis 1.000 |
akute Herpesausbrüche | bis 3.000 |
Einnahmeempfehlung
Wann und wie sollte man Lysin zusätzlich einnehmen?
Der Bedarf an Lysin kann normalerweise über die Ernährung gedeckt werden. So liefern beispielweise 100 Gramm Truthahnfleisch rund 2.800 Milligramm Lysin und 100 Gramm Hühnerfleisch etwa 2.600 Milligramm Lysin.
Kann der Lysinbedarf nicht über die Nahrung gedeckt werden oder soll die Behandlung von Erkrankungen unterstützt werden, empfehlen Mikronährstoff-Experten die Einnahme von Lysinpräparaten. Es gibt Lysin als Kapseln, Tabletten und in Pulverform. Nehmen Sie Lysin in mehreren Einzelportionen nüchtern zwischen den Mahlzeiten ein, damit es gut im Darm aufgenommen wird und über den Tag wirken kann.
Worauf man beim Kauf von Lysinpräparaten achten sollte
In vielen Nahrungsergänzungsmitteln ist Lysin in Form von Lysin-Hydrochlorid enthalten. Die ist ein spezielles wasserlösliches Lysinsalz. Es enthält etwa 80 Prozent reines Lysin. Es gibt aber auch Produkte mit reinem Lysin. Bei diesen ist der Lysingehalt höher (100 Prozent). Lysin-Hydrochlorid hat jedoch den Vorteil, dass es sehr gut wasserlöslich ist. Das erleichtert die Aufnahme im Darm. Beide Formen sind daher empfehlenswert.
Hochwertige Präparate sind frei von Zusatzstoffen wie Farb- oder Aromastoffen und enthalten keine Substanzen, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können – zum Beispiel Soja, Gluten oder Fruktose. Veganer sollten auf Lysin achten, das fermentativ mithilfe von Bakterien aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt wird. Nicht alle Nahrungsergänzungsmittel mit Lysin sind vegan.
Überdosierung, Wechselwirkungen und Hinweise
Ist eine Überdosierung mit Lysin möglich?
Lysin ist grundsätzlich gut verträglich. Auch die Zufuhr von sehr hohen Dosen von 15.000 Milligramm am Tag führte nur vereinzelt zu Bauchkrämpfen und zeitweisem Durchfall. Bei einer durchschnittlichen Ernährung gilt die tägliche Einnahme von bis zu 3.000 Milligramm Lysin für einige Monate als sicher.
Bisher fehlen jedoch Studien, um die Langzeitsicherheit beurteilen zu können. Da Lysin die Verfügbarkeit von Arginin reduziert, könnte bei einer hohen dauerhaften Lysineinnahme ein Argininmangel entstehen. Wird Lysin für längere Zeit regelmäßig eingenommen, sollte eine Dosierung von 1.000 Milligramm täglich nicht überschritten werden.
Einnahme von Lysin: Operationen, Schwangerschaft und Stillzeit
Bei einer geplanten Operation ist es ratsam, Lysin zwei Wochen vorher abzusetzen, da die Blutgerinnung durch Lysin gesenkt werden könnte.
Zur Einnahme während der Schwangerschaft und Stillzeit liegen noch keine ausreichenden Studien vor. Deshalb sollten Schwangere und Stillende Lysin nur in Rücksprache mit dem Arzt einnehmen und im Zweifelsfall auf Lysinpräparate verzichten.
Lysin: zu beachten bei Diabetes
Es gibt Hinweise darauf, dass Lysin den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetikern senkt. Daher sollten Betroffene ihren Blutzucker engmaschig überwachen, um eine Unterzuckerung zu vermeiden.
Lysin: zu beachten bei Erkrankungen der Leber und Niere
Personen mit schweren Nierenschädigungen und akutem Nierenversagen sollten keine Lysinpräparate einnehmen. Es besteht die Gefahr, dass geschädigte Nieren Abfallprodukte aus Lysin nicht richtig ausscheiden können.
Lysin: zu beachten bei Stoffwechseldefekten und Erkrankungen des Immunsystems
Personen mit angeborenen Lysin-Stoffwechseldefekten, die zu einem gestörten Abbau von Lysin führen, sollten kein zusätzliches Lysin einnehmen. Bei aktiven Autoimmunerkrankungen sollte ebenfalls auf Lysin verzichtet werden.
Zusammenfassung
Lysin ist eine lebenswichtige Aminosäure, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Lysin ist Baustein für Körpereiweiße sowie für das Erbgut. Außerdem ist Lysin an der Teilung von Körperzellen und an der Energieproduktion beteiligt. Auch die Knochengesundheit könnte Lysin fördern, indem es hilft, die Knochenbausteine Kollagen und Calcium bereitzustellen.
Ein reiner Lysinmangel ist eher selten. Jedoch können beispielsweise Personen mit Herpes oder Osteoporose, Neugeborene, Kleinkinder sowie Vegetarier oder Veganer ein erhöhtes Risiko für einen Mangel haben.
Im Rahmen der Mikronährstoffmedizin wird Lysin eingesetzt, um das Wiederauftreten von Herpesinfektionen zu reduzieren. Auch kann Lysin helfen, einen akuten Herpesausbruch abzuschwächen und die Symptome der Erkrankung zu lindern. Lysin wird zwischen den Mahlzeiten auf nüchternen Magen eingenommen.
Verzeichnis der Studien und Quellen
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Hahn, Andreas; Wolters, Maike; Hülsmann, Olaf : Nahrungsergänzungsmittel: und ergänzende bilanzierte Diäten. 1. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2006.