Schilddrüsenerkrankungen: Jod und Selen sind unverzichtbar

Trotz Maßnahmen für eine bessere Versorgung ist Deutschland noch immer ein Jodmangelgebiet. Auch die Selenzufuhr ist häufig zu niedrig – mit teils verheerenden Folgen.

Abbildung einer Schilddrüse
In Deutschland kann man von einer Volkskrankheit reden: Jeder Dritte leidet an einer Störung der Schilddrüsenfunktion. Am häufigsten ist dabei der Jodmangelkropf (Struma). Bild: magicmine/iStock/Getty Images Plus

Jeder dritte Deutsche leidet an einer Schilddrüsenerkrankung

In Deutschland kann man von einer Volkskrankheit reden: Jeder Dritte leidet an einer Störung der Schilddrüsenfunktion. Am häufigsten ist dabei der Jodmangelkropf (Struma). Dies zeigt eine der größten Erhebungen aus Deutschland mit fast 100.000 Teilnehmern, durchgeführt von der Schilddrüseninitiative „Papillon“.

Bei einem Kropf handelt es sich um eine Vergrößerung der Schilddrüse infolge eines Jodmangels. Es kann dabei zu einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) kommen, sodass der gesamte Stoffwechsel auf Sparflamme arbeitet.

Expertenwissen

Bereits ein TSH-Wert über 2 Milliunits pro Liter (mU/l) und ein gleichzeitig vorliegender fT3-Wert (freies T3) unter 3 Pikogramm pro Milliliter (pg/ml) können auf eine funktionelle Schilddrüsenunterfunktion hinweisen. Dabei liegen die Werte zwar noch im Normbereich, Beschwerden können aber dennoch auftreten. Durch die Ergänzung von Jod (100 bis 200 Mikrogramm (µg)) kann teilweise eine Verbesserung der Beschwerden erreicht werden.

Eine Schilddrüsenunterfunktion durch Jodmangel muss nicht sein – schon gar nicht in einem Industrieland wie Deutschland. Denn ein Jodmangel lässt sich einfach durch die ergänzende Zufuhr von Jod vermeiden. Doch warum erreichen so viele Menschen die empfohlenen Mengen nicht?

Jod und Selen: unentbehrlich für den gesamten Körper

Jod ist ein lebensnotwendiges Spurenelement. Es wird in der Schilddrüse gespeichert und ist auch für deren Funktion unabdingbar: Jod ist nämlich Baustein der Schilddrüsenhormone und damit in die meisten Körperfunktionen involviert. Schilddrüsenhormone regulieren zum Beispiel die Zellteilung, das Körperwachstum und den Energiestoffwechsel.

Körperliche Anzeichen eines Jodmangels sind Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Kälteempfindlichkeit (schnelles Frieren). Ein starker Mangel führt zu Entwicklungsstörungen – vor allem, wenn er bei Kindern oder in der Schwangerschaft auftritt.

Damit die Schilddrüse aus Jod überhaupt Hormone herstellen kann, benötigt sie Selen: Selen aktiviert die Schilddrüsenhormone, sodass sie letztendlich ihre Wirkungen erfüllen können. Bei der Produktion der Schilddrüsenhormone entstehen außerdem giftige Stoffwechselprodukte. Diese müssen unschädlich gemacht werden, da sie sonst dem Schilddrüsengewebe schaden. Auch dafür ist Selen wichtig. Die Kombination Jod und Selen ist deshalb für die Schilddrüse unverzichtbar.

Trotz Jodsalz kaum Besserung bei der Jodversorgung

Der tägliche Jodbedarf von Erwachsenen liegt bei 200 Mikrogramm. Allerdings fehlt es in der Praxis meist an der Hälfte der empfohlenen Menge. Denn die mittlere Jodzufuhr beträgt in Deutschland nur 100 Mikrogramm täglich.

Grund für den flächendeckenden Jodmangel sind unsere jodarmen Böden. Dadurch gelangt nur wenig Jod in die heimischen Lebensmittel. Im Meerwasser ist der Jodgehalt zwar vergleichsweise hoch, weshalb zum Beispiel Algen gute Jodlieferanten sind. Allerdings nehmen wir kaum Algen zu uns. Und auch Fisch steht bei den meisten Deutschen selten auf dem Speiseplan.

Seit Jahrzehnten wird Salz deshalb mit Jod angereichert (Jodsalz). Auch Tierfutter wird Jod zugesetzt, wodurch Milch und Milchprodukte sowie Fleisch wichtige Jodlieferanten sind. Insgesamt hat sich die Versorgung dadurch tatsächlich gebessert, sie ist allerdings noch immer nicht zufriedenstellend. Hormonexperten warnen davor, dass die Versorgung inzwischen sogar wieder rückläufig ist und eine neue Jodmangel-Episode droht.

Auch Selen kann in Deutschland ein Mangelnährstoff sein

Deutschland ist nicht nur Jodmangelgebiet, wir sind auch häufig mit Selen unterversorgt. Selen ist –genauso wie Jod – kaum in den Böden zu finden, weshalb pflanzliche Lebensmittel grundsätzlich selenarm sind. Um die Selenversorgung zu verbessern, wird das Tierfutter mit Selen angereichert. Dadurch sind Fleisch, Milch und Milchprodukte wichtige Selenlieferanten. Allerdings reicht es bei einigen nicht, um den Bedarf von 60 Mikrogramm für Frauen und 70 Mikrogramm für Männer zu decken: Die geschätzte Zufuhr liegt bei Erwachsenen zwischen 31 und 66 Mikrogramm Selen pro Tag.

Expertenwissen

Was viele nicht wissen: Raucher haben einen erhöhten Selenbedarf. Der regelmäßige Griff zur Zigarette belastet den Körper mit freien Radikalen, die wiederum durch Antioxidantien unschädlich gemacht werden müssen. Selen ist eines der wichtigsten Antioxidantien im Körper und wird dabei massiv verbraucht. Bei Rauchern lässt sich deshalb besonders häufig ein Selenmangel nachweisen.

Angst vor Jod ist unbegründet, denn die Dosis macht das Gift

Immer wieder hört man, dass bei Schilddrüsenerkrankungen auf Jod verzichtet werden muss, weil ein Überschuss die Ursache sein kann. Viele haben regelrecht Angst vor Jod. Als Spurenelement kommt es im Körper zwar nur in Spuren vor, Jod deshalb wegzulassen, ist jedoch unmöglich!

Empfehlungen für Einschränkungen gibt es bei einer Überfunktion der Schilddrüse, zum Beispiel bei Morbus Basedow. Aber selbst dann muss man nicht immer komplett auf Jod verzichten. Eine Ausnahme ist die manifeste Hyperthyreose, wenn der Schilddrüsenhormon-Spiegel im Blut bereits zu hoch ist. Meist ist die empfohlene tägliche Zufuhr – also 200 Mikrogramm – unproblematisch. Aufgepasst werden sollte nur bei Lebensmitteln mit hohem Jodgehalt (zum Beispiel Sushi mit Algen) und hoch dosierten Jodpräparaten über 150 Mikrogramm.

Gefährliche Jod-Überdosierungen sind zwar möglich, allerdings sehr selten und über die Ernährung oder Jodpräparate nicht zu erreichen. Dosierungen ab 1.100 Mikrogramm pro Tag – also fast sechsmal so viel wie empfohlen – können in Einzelfällen zu einer Überfunktion der Schilddrüse führen. Eine gesunde Schilddrüse kommt auch mit einer kurzzeitigen Überversorgung zurecht.

Jod ist auch bei Hashimoto unverzichtbar – besonders in Kombination mit Selen!

Die häufig kursierende Empfehlung, bei einer autoimmunbedingten Schilddrüsenunterfunktion wie der Hashimoto-Thyreoiditis auf Jod zu verzichten, ist ebenfalls ein Irrtum. Es gilt heute als sicher, dass Betroffene unbedingt eine Zufuhr von 200 Mikrogramm Jod erreichen sollten – am besten in Kombination mit Selen. Für Hashimoto-Patienten ist ein Selenspiegel von mindestens 120 Mikrogramm pro Liter Vollblut anzustreben. Selen ist nicht nur für den Stoffwechsel der Schilddrüsenhormone wichtig, es dämpft auch die Entzündung der Schilddrüse, ausgelöst durch das eigene Immunsystem. Alles Wichtige zu Selen bei Hashimoto erfahren Sie hier.

Lediglich eine hohe Jodzufuhr von mehr als 200 Mikrogramm kann bei einer aktiven Entzündung der Schilddrüse die Beschwerden verstärken. Ist die Erkrankung aber schon weit fortgeschritten und die Schilddrüse nicht mehr aktiv, schaden auch hohe Mengen Jod nicht. Hashimoto-Patienten sind also genauso auf Jod angewiesen wie gesunde – vor allem Schwangere, da auch das ungeborene Kind unbedingt Jod benötigt. Der Irrtum, dass Betroffene komplett auf Jod verzichten müssen, kann deshalb verheerende Folgen haben.

Ohne Jod und Selen geht es nicht – auch bei Schilddrüsenerkrankungen

Im Schilddrüsenstoffwechsel sind Jod und Selen ein „unzertrennliches Team“. Deshalb dürfen beide Mikronährstoffe für eine gesunde Schilddrüse nicht fehlen: Jod wird für die Produktion der Schilddrüsenhormone benötigt, und Selen entgiftet dabei anfallende schädliche Stoffwechselprodukte.

Grundsätzlich gibt es in der Medizin Stoffe, die je nach Dosierung das Gegenteil bewirken – Jod ist einer davon. Der Körper ist für die Produktion der Schilddrüsenhormone auf Jod angewiesen, unverhältnismäßig hohe Mengen können allerdings auch schaden. Deshalb gilt bei Jod der oben zitierte Satz von Paracelsus „Die Dosis macht das Gift“.

Bei den meisten Schilddrüsenerkrankungen ist der Körper auf eine ausreichende Zufuhr von Jod angewiesen. Ein Jodmangel kann sogar die Ursache von Schilddrüsenerkrankungen sein, die sich in den meisten Fällen verhindern ließen. Trotz Maßnahmen zur Verbesserung der Jodversorgung ist ein Mangel in Deutschland immer noch weit verbreitet. Ein Jodpräparat mit zum Beispiel 70 bis 100 Milligramm Jod unterstützt deshalb die Versorgung über Lebensmittel ideal.

Verzeichnis der Studien und Quellen

DGE aktuell, Presseinformation (2017): Wie sind die Deutschen mit Nährstoffen versorgt? 13. DGE-Ernährungsbericht untersucht Versorgung mit Vitamin D, Folat, Natrium, Kalium und Jod. 06/2017 vom 15.08.2017 https://www.dge.de/presse/pm/wie-sind-die-deutschen-mit-naehrstoffen-versorgt/, abgerufen am: 03.12.2018.

EFSA (2014): Scientific Opinion on Dietary Reference Values for selenium. EFSA Journal 2014; volume (issue): NNNN, 67 pp. https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/consultation/140715.pdf, abgerufen am: 03.12.2018.

Gärtner, R.: Jodsalz bei Hashimoto? Arbeitskreis Jodmangel e.V. https://jodmangel.de/2014/jodsalz-bei-schilddrusenerkrankungen/, abgerufen am: 03.12.2018.

Gärtner, R.: Wie viel Jod bei Schilddrüsenerkrankungen? Arbeitskreis Jodmangel e.V. https://jodmangel.de/2015/wie-viel-jod-bei-schilddrusenerkrankungen-2/, abgerufen am: 03.12.2018.

Gröber, U. (2011): Mikronährstoffe. Metabolic Tuning – Prävention – Therapie. 3. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.

Le Ker, H. (2013): Schilddrüse. Jodversorgung in Deutschland wird immer schlechter. Spiegel Online. http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/jodmangel-kinder-unterversorgt-in-deutschland-a-893546.html, abgerufen am: 03.12.2018.

Max Rubner-Institut (2008): Ergebnisbericht Teil 2. Nationale Verzehrstudie II. Die bundesweite Befragung zur Ernährung von Jugendlichen und Erwachsenen. Karlsruhe https://www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf, abgerufen am: 03.12.2018.

Schumm-Dräger, P.M. & Feldkamp, J. (2007): Schilddrüsenkrankheiten in Deutschland. Ausmaß, Entwicklung, Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und Präventionsfolge. Präv Gesundheitsf 2:153–158.

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Über den Autor

Dr. med. Rainer Spichalsky

Herr Dr. med. Spichalsky ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Neben der schulmedizinischen Ausbildung erwarb er weitere Fachqualifikationen als Arzt für Applied  Kinesiology, F.X. Mayer Arzt und manuelle Therapie. Zudem ist Herr Dr. med Spichalsky zertifizierter Anti-Aging-Arzt gemäß GSAAM und Orthomolekular-Therapeut. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer einer ärztlichen Partnerschaftsgesellschaft ist der diplomierte Gesundheitsheitsökonom unter anderem auch Dozent für orthomolekulare Therapie.