Erhöhen Omega-3-Fettsäuren das „schlechte“ LDL-Cholesterin?

Die gefäßschützenden Effekte der Fettsäuren sind bekannt. Aber haben sie auch negative Eigenschaften?

Kapseln liegen in einer Holzschale und einem Holzlöffel
Omega-3-Fettsäuren kann man als Kapseln kaufen. Gewonnen werden sie zum Beispiel aus Algen- oder Fischöl. Bild: Eziutka/iStock/Getty Images Plus

Omega-3-Fettsäuren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Omega-3-Fettsäuren werden wegen ihrer positiven Effekte häufig bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt. Sie wirken zum Beispiel entzündungshemmend, leicht blutdrucksenkend und blutverdünnend. Deshalb empfehlen Mikronährstoff-Experten sie gerne bei einem erhöhten Risiko.

Omega-3-Fettsäuren sind ebenfalls für die Senkung erhöhter Blutfettwerte bekannt. Es gibt jedoch auch Studien, die auf einen Anstieg des LDL-Wertes nach der Einnahme hinweisen. Andere Forscher haben wiederum keinen oder sogar einen leicht senkenden Effekt durch Omega-3-Fettsäuren festgestellt.

Ist also die Gesamtwirkung von Omega-3-Fettsäuren bei einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nützlich? Überwiegt der positive Effekt gegenüber einem möglichen LDL-Anstieg? Dazu müssen ein paar Feinheiten betrachtet werden.

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Bei den Blutfetten unterscheidet man zwischen Triglyceriden und Cholesterinen. Bei den Cholesterinwerten wird weiterhin zwischen dem gefäßschützenden HDL- und dem „schlechten“ LDL-Cholesterin unterschieden.

Wie kam es zu den schwankenden Ergebnissen?

Für die unterschiedlichen Studienergebnisse könnte es eine Erklärung geben: Die Rahmenbedingungen der Studien stimmten selten überein. Hierbei spielt unter anderem die Zusammensetzung der Omega-3-Fettsäuren eine Rolle. Zu den wichtigsten Untergruppen zählen Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Deren Verhältnis in den Präparaten schwankte häufig zwischen den Studien.

Das ist wichtig, denn EPA und DHA können sich unterschiedlich auf die Cholesterinwerte im Blut auswirken: DHA scheint tendenziell einen stärkeren Effekt zu haben, wohingegen EPA sich vermutlich weniger auf die Cholesterinwerte auswirkt.

Außerdem muss man die Cholesterinwerte genauer aufschlüsseln und „gutes“ HDL, „schlechtes“ LDL und „schlechte“ Triglyceride getrennt voneinander betrachten. Genauere Untersuchungen ergaben, dass sich EPA und DHA unterschiedlich auf diese Untergruppen auswirken.

DHA – insgesamt positiver Effekt auf die Fettwerte im Blut

Die Einnahme von mindestens 2.000 Milligramm DHA pro Tag senkt nicht nur die Triglyceride, sondern erhöht in manchen Studien auch das „gute“ HDL- und das „schlechte“ LDL-Cholesterin.

Gleichzeitig nimmt die Größe der Cholesterin-Partikel im Blut zu. Dies ist von Bedeutung, da die Partikelgröße beim LDL-Cholesterin entscheidend ist: Größere LDL-Partikel sind weniger gefäßschädigend (atherogen) als kleine dichte LDL-Partikel (small dense LDL-Partikel).

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Atherogen bezeichnet die Eigenschaft des LDL-Cholesterins, die Ablagerungen in den Gefäßen zu fördern. Dies führt über die Jahre zu Gefäßverkalkungen. Kleine dicht gepackte LDL-Partikel sind stark atherogen. Sie dringen leichter in die Gefäßwände ein und lagern sich dann eher ab. HDL-Partikel hingegen besitzen eine anti-atherogene Wirkung, denn sie sammeln das Cholesterin im Körper wieder ein.

Betrachtet man die Veränderungen in Zahlen, zeigt sich eine positive Tendenz: In einer Übersichtsarbeit mehrerer Studien lag der HDL-Anstieg nach der Einnahme von DHA bei circa 7 Prozent. Der Anstieg des LDL-Cholesterins betrug nur rund 3 Prozent. EPA schien im Vergleich dazu weder das „schlechte“ LDL noch das „gute“ HDL-Cholesterin maßgeblich zu beeinflussen – eine Senkung der Triglyceride wurde dennoch erreicht. Aus diesem Grund werden bei hohen Blutfettwerten bisher bevorzugt reine EPA-Präparate oder solche mit einem hohen EPA-Anteil eingesetzt.

Omega-3-Fettsäure

LDL („schlecht“)

HDL („gut“)

Triglyceride („schlecht“)

DHA

leicht steigernd

steigernd

stärker senkend

EPA

tendenziell senkend*

tendenziell steigernd*

senkend

*Hinweis: Studien zeigen lediglich eine Tendenz, keinen klar nachweisbaren Zusammenhang (statistisch nicht signifikant).

Die Ergebnisse können bedeuten, dass zwar das HDL- und das LDL-Cholesterin angestiegen sind, sich das Verhältnis von LDL zu HDL jedoch kaum veränderte. Dies ist ein wichtiger Parameter zur Beurteilung erhöhter Cholesterinwerte: Ein unverändertes LDL/HDL-Verhältnis würde das bestehende Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen theoretisch nicht beeinflussen.

LDL-Anstieg vermutlich nur vorübergehend

In Anbetracht der uneinheitlichen Studienergebnisse vermuten Forscher, dass der LDL-Wert nur vorübergehend ansteigt.

Erklärt wird dies folgendermaßen: Bei gleichzeitig hohen Triglyceridwerten führt die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren zu einem Abbau der Triglyceride im Blut. Bei diesem Prozess scheint insbesondere DHA einen Umbau der Blutfett-Partikel zu bewirken: Bestimmte Fett-Partikel (VLDL) beinhalten einen großen Anteil der Triglyceride im Blut. Sie werden durch den Triglycerid-Abbau zu LDL-Partikeln umgebaut. Sind die Triglyceride im Blut gesunken, erledigt sich der Umbau. Dadurch würde sich der LDL-Anstieg vermutlich auch erübrigen.

Das bedeutet: Sollte der LDL-Wert tatsächlich ansteigen, könnte dies nur vorübergehend sein und hätte keine negativen Konsequenzen. 

Neuste Studienergebnisse – kein Grund zur Sorge

Die Uneinigkeit über einen möglichen LDL-Anstieg durch Omega-3-Fettsäuren zieht weitere Studien nach sich. Eine aktuelle Studie des Cooper-Institutes aus Texas hat nun wieder das Gegenteil gezeigt: Die langfristige Einnahme eines DHA-reichen Fischöls erhöhte bei über 9.000 Teilnehmern nach 2 Jahren das LDL-Cholesterin nicht. Dieses Ergebnis deckt sich demnach mit der Vermutung, dass ein möglicher LDL-Anstieg nur vorübergehend ist.

Omega-3-Index – Bedeutung in der Praxis

Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Omega-3-Index. Dieser gibt Auskunft darüber, wie gut man mit Omega-3-Fettsäuren versorgt ist. Ein geringer Omega-3-Index wird mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Der Omega-3-Index wird im Blut bestimmt. Er gibt den prozentualen Anteil von EPA und DHA in den roten Blutkörperchen an. Gute Werte liegen zwischen 8 und 11 Prozent.

In der Praxis kann hiermit die Wirksamkeit der Omega-3-Einnahme überprüft werden: Steigt der Omega-3-Index an, verringert sich das Risiko für die allgemeine Sterblichkeit, für Herzinfarkte, Depressionen und andere Gesundheitsprobleme. Dieser Zusammenhang konnte bereits in hochwertigen Studien bestätigt werden.

Fazit: positiver Effekt von Omega-3-Fettsäuren auf die Blutgefäße

Omega-3-Fettsäuren senken die Triglyceridwerte im Blut und können somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Ob es dabei zu einer vorübergehenden Erhöhung des LDL-Cholesterins kommt oder nicht, scheint für die positive Wirkung keine Rolle zu spielen: Der Effekt von Omega-3-Fettsäuren auf die Cholesterinwerte ist demnach zu vernachlässigen. Hinsichtlich der gefäßschützenden Wirkung sind vielmehr der entzündungshemmende Effekt und die Verminderung von Gefäßablagerungen ausschlaggebend.

Aus diesem Grund ist und bleibt die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren eine vielversprechende Ergänzung, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Mikronährstoff-Experten empfehlen zwischen 1.500 und 2.500 Milligramm Omega-3-Fettsäuren am Tag mit einem hohen EPA-Anteil. Zur Überprüfung der Wirksamkeit kann in der Praxis der Omega-3-Index im Blut herangezogen werden.

Tipp

Es gibt viele Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln. Da Fischöle Schwermetalle enthalten können, ist es wichtig, auf eine hohe Qualität zu achten. Seriöse Anbieter lassen beispielsweise den Schwermetallgehalt ihrer Präparate untersuchen. Außerdem sind Qualitätszertifikate wie International Featured Standards Food (IFS Food) oder Good Manufacturing Practice (GMP) ein Zeichen für hochwertige Präparate.

 

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über den Autor

Niels Schulz-Ruhtenberg

Nils Schulz-Ruhtenberg ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin.  Nach dem Medizinstudium in Göttingen, Hamburg und Südafrika spezialisierte er sich auf Präventivmedizin, Ernährungsmedizin und Sportmedizin. In seiner Hamburger Arztpraxis bietet er seit 2001 modernste medizinische Diagnostik und Therapie an in Sachen Ernährung, Mikronährstoffe, Gewichtsreduktion, funktionelle Medizin und Leistungsoptimierung im Job und Sport an. Schwerpunkte sind die Vermeidung und Linderung von lebensstilbedingten Erkrankungen durch ein effektives Gesundheits- und Selbstmanagement. Im Mittelpunkt stehen dabei oft die Verbesserung der Stresstoleranz sowie die Steigerung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit durch natürliche nebenwirkungsfreie Methoden, z. B. durch eine optimale Nährstoffversorgung.