Der Stoffwechsel entscheidet über die Wirkung
Die Aminosäure L-Tryptophan ist ein lebenswichtiger Eiweißbestandteil. Populär wurde es als unterstützendes Nahrungsergänzungsmittel bei leichten Depressionen. Nach neuen Studien ist L-Tryptophan und seine Stoffwechselprodukte jedoch noch an viel mehr Prozessen im gesamten Körper beteiligt. Demnach verbindet es den Stoffwechsel, das Immunsystem, das Nervensystem und die Psyche. Wenn man krank ist, wird die Stimmung häufig schlechter, das haben wir alle schon erlebt.
Die Frage ist nun, wie man am besten eingreift. Einfach L-Tryptophan einnehmen reicht nämlich nicht: Je nach Stoffwechselsituation baut es der Körper gezielt ab oder um. Die Folgeprodukte haben dann eigene Wirkungen. Manchmal wirken sie sogar negativ. Wie und ob L-Tryptophan auf die Stimmung wirkt, entscheidet am Ende der Stoffwechsel.
Für den richtigen Einsatz in der Mikronährstofftherapie muss man also einiges wissen. Einen L-Tryptophan-Mangel kann man nicht immer allein durch die Einnahme der Aminosäure beheben. Manchmal sind andere Maßnahmen nötig, die zuerst den Stoffwechsel normalisieren. Lesen Sie hier wichtige Informationen rund um den L-Tryptophanstoffwechsel.
L-Tryptophan: Aufgaben und Funktionen
Zunächst hat L-Tryptophan eine grundlegende Funktion: Es wird für den Eiweiß-Stoffwechsel der Zelle und die Zellteilung benötigt. Daneben braucht das Gehirn Tryptophan für die Herstellung des Glückshormons Serotonin und des Schlafhormons Melatonin. L-Tryptophan wirkte in Vorstudien stimmungsaufhellend und beruhigend. In ersten Studien hatte es auch eine Wirkung auf den Schlaf. Tryptophan-Mangel-Symptome sind somit sowohl Depressionen als auch Schlafstörungen.
L-Tryptophan ist zudem im Energiestoffwechsel aktiv: Es wird gebraucht, um NAD herzustellen. NAD ist ein Coenzym und für die Energiegewinnung sowie für gesunde Mitochondrien und Nerven wichtig.
Das stört den normalen Tryptophan-Stoffwechsel
Normalerweise gelangt Tryptophan aus der Nahrung in den Körper und wird über 5-HTP zu Serotonin beziehungsweise Melatonin umgewandelt. Liegt allerdings eine Entzündung vor, wird es vorher abgebaut. Damit möchte der Körper Krankheitserregern L-Tryptophan entziehen, um sie zu schwächen. Fehlt es aber im Körper, werden Stimmung und Schlaf beeinträchtigt. Der Tryptophan-Stoffwechsel verbindet somit die körperliche Gesundheit mit der Psyche.
Beim L-Tryptophan-Abbau können dann Stoffe gebildet werden, welche die Nerven stark anregen, die Mitochondrien schädigen und oxidativen Stress erzeugen. Auch das hat Folgen für die Psyche und führt unter Umständen zu Schmerzen, Nerven- und Organschäden. Nicht zuletzt trägt ein entgleister Tryptophan-Stoffwechsel zur Alterung bei.
Vorerkrankungen wie Leber-, Darm- und Nierenerkrankungen können den Tryptophan-Stoffwechsel außerdem erheblich verändern. Einen gestörten Stoffwechsel findet man bei vielen Erkrankungen:
- psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Autismus und ADHS
- Nervenerkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Epilepsie und Multiple Sklerose
- Entzündungen wie entzündliche Darmerkrankungen und Asthma
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck
- Schmerzerkrankungen
- Leberschäden und Nierenschwäche
L-Tryptophan: Gute und schlechte Stoffwechselprodukte
Bei Störungen im Tryptophan-Stoffwechsel häufen sich bestimmte Stoffwechsel-Folgeprodukte an:
- Kynurenin: Hohe Spiegel sind oft mit Stoffwechselerkrankungen verbunden wie metabolischem Syndrom, Diabetes, Fettleber, Übergewicht, Stress, Burnout und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
- Quinolinsäure: Sie entsteht unter bestimmten Umständen aus Kynurenin. Quinolinsäure ist für die Nerven giftig, fördert Entzündungen und wirkt oxidativ. Hohe Werte findet man bei entzündlichen Darmerkrankungen, Multipler Sklerose, Alzheimer, Depressionen und Angststörungen. Quinolinsäure schädigt die Mitochondrien und stört somit den Energiestoffwechsel.
Kynurenin kann jedoch auch zu schützenden Stoffen umgewandelt werden: Kynureninsäure schützt Nerven und reguliert Entzündungen. Forscher untersuchen derzeit den Nutzen bei Parkinson, Alzheimer und Epilepsie.
Es sind viele weitere Folgeprodukte bekannt. Das zeigt, wie wichtig und komplex der Tryptophan-Stoffwechsel ist. Vermutlich haben Forscher auch noch nicht alle Verbindungen und Wirkungen aufgedeckt.
L-Tryptophan-Stoffwechsel optimieren: das kann man selbst tun
Gesunde Personen können einen Tryptophan-Mangel vermeiden, indem sie ausreichend und hochwertiges Eiweiß aufnehmen. Pro Tag werden etwa 5 Milligramm L-Tryptophan pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen (300 Milligramm bei 60 Kilogramm).
Auch eine Reihe von Mikronährstoffen wie Vitamin C beeinflusst den Abbau von L-Tryptophan. Daneben bestimmen Vitamin D und B-Vitamine (insbesondere B6), in welche Stoffe L-Tryptophan umgewandelt wird. Vitamin B6 ist zum Beispiel für die Herstellung von Kynureinsäure notwendig, die positiv wirkt. Außerdem sind Zink, Eisen, Mangan und Selen beteiligt. Oxidativer und nitrosativer Stress dürften den Tryptophan-Stoffwechsel zusätzlich beeinträchtigen. Deshalb sollte kein Vitamin- und Mineralstoffmangel vorliegen. Hochwertige Studien fehlen allerdings noch.
Darüber hinaus bestimmt die Darmflora darüber, ob und wie L-Tryptophan bereits im Darm abgebaut wird. Die dabei entstehenden Stoffwechselprodukte entscheiden außerdem über die Darmgesundheit. Laktobazillen, Bifidobakterien und Ballaststoffe wie aus Flohsamen dürften die Verarbeitung von L-Tryptophan im Darm normalisieren. Das zeigen erste Studien.
Weitere Faktoren, die den L-Tryptophan-Stoffwechsel verbessern, sind Stressmanagement, ausreichend Schlaf, moderater Sport und Tageslicht.
Tryptophan wirkt nicht: das kann der Therapeut tun
Wirkt L-Tryptophan bei Depressionen nicht, kann der Arzt oder Mikronährstoff-Experte nach Krankheiten suchen, die den L-Tryptophan-Stoffwechsel stören. Zum Beispiel müssen häufig erst Entzündungen oder Infektionen behandelt werden. Gegen Entzündungen könnten vor allem antientzündliche Mikronährstoffe wirken wie Curcumin, Quercetin und Omega-3-Fettsäuren. Der Therapeut kann auch gezielt nach Mangelzuständen suchen. Das betrifft vor allem Vitamin D, B6, B12 und Magnesium.
Daneben ist es möglich, im Blut, Stuhl und Urin die Produkte des Tryptophan-Stoffwechsels zu bestimmen. L-Tryptophan könnte bei einer Stoffwechselstörung außerdem oxidativen und nitrosativen Stress verursachen und dazu führen, dass eine Einnahme negativ wirkt. Daher sollte dieser Stress kontrolliert und behandelt werden.
Wichtig zu wissen ist auch, dass Medikamente wie Kortison oder Antibiotika den Tryptophan-Stoffwechsel stören. Es sollte daher kein unnötiges Kortison gegeben werden. Im Anschluss an die Antibiotika-Behandlung sind Probiotika sinnvoll.
Tipp
Auch die Forschung ist am Tryptophan-Stoffwechsel sehr interessiert: Wissenschaftler arbeiten an Medikamenten, die aktiv in den Tryptophan-Stoffwechsel eingreifen. Damit könnten in Zukunft vor allem Nerven- und Immunkrankheiten, Entzündungen und Krebs behandelt werden.
L-Tryptophan einnehmen – wie viel am Tag?
Der Körper braucht ausreichend L-Tryptophan, das ist sicher. Fest steht auch: Er muss den Abbau streng kontrollieren. L-Tryptophan wirkt nur bei intaktem Stoffwechsel positiv auf Stimmung und Schlaf.
Gesunde Menschen können L-Tryptophan in einer Dosierung von 1.000 bis 3.000 Milligramm einnehmen, um Psyche und Schlaf zu fördern. Am besten verteilt man die Menge über den Tag. Für eine effektive Aufnahme im Darm sollte L-Tryptophan nicht mit eiweißreichen Lebensmitteln oder anderen Aminosäuren eingenommen werden. Am besten ist die Aufnahme, wenn es etwa mit zwei Stunden Abstand von einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit eingenommen wird. So sind Blutzucker- und Insulinspiegel noch leicht erhöht und L-Tryptophan gelangt leichter ins Gehirn.
Liegt eine Erkrankung vor, kann die Einnahme unter Umständen die Beschwerden verstärken. Ist dies der Fall sollte man sich am besten beim Arzt oder Mikronährstoff-Experten beraten lassen. Er kann untersuchen, ob der Tryptophan-Stoffwechsel gestört ist. Trifft das zu, gibt es einige Maßnahmen, den Stoffwechsel zu unterstützen: Es sollten unter anderem keine Mikronährstoffmängel und Entzündungen vorliegen. Auch eine gesunde Darmflora ist wichtig.
Verzeichnis der Studien und Quellen
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