Probiotika und stärkere Muskeln

Warum (Kraft-)Sportler von guten Bakterien profitieren könnten

Mann beim Kraftsport
Kraftsport hat Einfluss auf die Zusammensetzung der Darmbakterien. Probiotika könnten regulierend wirken und möglicherweise die Kraft steigern. Bild: Halfpoint/iStock/Getty Images Plus

Darm und Leistung im Sport: Wirkung und Wechselwirkung

Moderater Sport verbessert vermutlich die Vielfalt und Zusammensetzung der Darmbakterien (Darmflora). Dadurch nehmen sie möglicherweise Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Forscher sprechen dabei von der „Darm-Muskel-Achse“. Extremer Leistungssport wirkt sich jedoch negativ auf den Darm und die Darmflora aus. Dann nehmen die „schlechten“ Bakterien überhand.

Kann man also mit Darmbakterien gezielt den Darm schützen und den Trainingserfolg verbessern? Aktuell werden dazu verschiedene Probiotika getestet. Das sind speziell gezüchtete, lebende Mikroorganismen – meistens Bakterien – die sich im Darm ansiedeln und einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Erste Studien liegen bereits vor, hauptsächlich mit Ausdauersportlern. In einigen dieser Studien konnten die Sportler nach Einnahme von Probiotika die maximale Ausdauerfähigkeit (VO2max) steigern. Wie es sich mit Kraftsportlern verhält, wurde bislang kaum erforscht. Sie könnten ebenfalls profitieren, wie erste Untersuchungen zeigen.

Warum verändert sich die Darmflora von (Kraft-)Sportlern?

Während der körperlichen Leistungsspitzen wird der Darm schlechter durchblutet, was zur Veränderung der Darmflora führt. Sie erzeugt in extremen Fällen ein entzündliches Milieu und schädigt die Barrierefunktion der Darmschleimhaut.

Daneben dürfte die Ernährung einen großen Einfluss auf die Darmflora haben. Sportler essen in der Regel anders als die Durchschnittsbevölkerung. Sie nehmen mehr Kalorien zu sich, um den erhöhten Verbrauch durch den Sport zu kompensieren. Kraftsportler verzehren vor allem viel Eiweiß (Proteine), zum Beispiel in Protein-Shakes mit Molke-Protein (Whey). Ziel ist es, den Muskeln ausreichend Proteine für Wachstum und Regeneration zu liefern.

Eine übermäßige Aufnahme von Proteinen kann jedoch negative Folgen für die Darmflora haben: Es vermehren sich dann diejenigen Bakterien, die Aminosäuren verwerten. Dann entstehen Nebenprodukte wie Ammoniak und Thiole, die Magen-Darm-Beschwerden verursachen können.

 

Verbessern Probiotika den Muskelaufbau?

Eine Untersuchung mit Mäusen zeigt, dass die Gabe eines Probiotikums mit dem Bakterium Lactobacillus plantarum die Kraft verbesserte und das Muskelwachstum erhöhte. Ob Probiotika auch bei Menschen die Leistungsfähigkeit im Krafttraining erhöhen und einen Einfluss auf das Muskelwachstum haben, lässt sich derzeit nicht sagen. Dazu fehlen hochwertige Studien. Probiotika haben jedoch vermutlich einen positiven Einfluss auf die Regeneration, was sich indirekt auf die Leistungsfähigkeit im Krafttraining auswirken könnte.

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Zudem zeigen Studien, dass Probiotika das Immunsystem stärken. Bei Sportlern verringern sie die Häufigkeit, Schwere und Dauer von Infektionen der oberen Atemwege wie Erkältungen. Dadurch dürften weniger Trainingstage ausfallen, was − langfristig gesehen – auch zu einer besseren Leistung führen könnte.

Probiotika fördern vermutlich die Regeneration

Beim Krafttraining entstehen kleine Risse im Muskel. Nach dem Training werden diese Risse durch Anpassungsprozesse repariert. Es folgt die sogenannte Superkompensation: Die Muskelfasern verdicken und die Muskelmasse nimmt zu. Dazu sind eine Ruhephase und eine ausreichende Zufuhr an Proteinen notwendig.

Probiotika verbessern möglicherweise die Verwertung von Proteinen. Der Körper nutzt sie effektiver, wie eine Vorstudie zeigt: Männer regenerierten nach einem Krafttraining besser, wenn sie Milchprotein (Casein) nicht nur alleine einnahmen, sondern zusammen mit einem Probiotikum (Bacillus coagulans). Für Sportler könnte daher die Kombination aus Proteinen und Probiotika nach dem Training von Vorteil sein.

Fazit: Probiotika sind vielversprechend

(Kraft-)Sportler könnten von Probiotika profitieren. Das gilt insbesondere dann, wenn die Darmflora vermehrt ungünstige Bakterien enthält und es häufiger zu Magen-Darm-Beschwerden kommt. Ob Probiotika einen Effekt auf die sportliche Leistung haben, ist allerdings nicht geklärt.

Probiotika haben in der Regel keine Nebenwirkungen und gelten als sicher. Nach derzeitigem Kenntnisstand sollte bei der Auswahl eines Probiotikums auf eine hohe Bakterienvielfalt geachtet werden. Die Kombination mehrerer Bakterienarten ist einem Probiotikum mit nur einer Art vorzuziehen. Erste Studien zu Ausdauersport testeten meistens verschiedene Stämme der Bifidobakterien und Laktobazillen. Auch die Anzahl der Bakterien spielt eine Rolle. Empfehlenswert ist zum Beispiel ein Präparat mit 1 bis 20 Milliarden (1 bis 20 x 109) koloniebildenden Einheiten (KBE).

Wichtig ist eine regelmäßige und langfristige Einnahme. Stoppt man diese, nimmt die Anzahl der probiotischen Bakterien im Darm wieder ab. Für Sportler bietet sich die Ergänzung zu einer proteinreichen Mahlzeit an.

Tipp

Steht ein Wettkampf an? Probiotika lindern möglicherweise Stress und Ängste vor Wettkämpfen. Das zeigt eine erste Studie mit Badminton-Spielern, die sechs Wochen lang ein Probiotikum einnahmen. Die Forscher vermuten, dass die Effekte auf eine enge Verbindung zwischen der Darmflora und der Psyche („Darm-Hirn-Achse“) zurückzuführen sind. Für Wettkampfsportler, die schnell nervös sind, könnten Probiotika demnach zusätzliche Vorteile haben.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Chen, Y. M. et al. (2016): Lactobacillus plantarum TWK10 Supplementation Improves Exercise Performance and Increases Muscle Mass in Mice. Nutrients, 8(4), 205 Apr 2016. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27070637/, abgerufen am: 26.10.2022.

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Über die Autorin

Dr. med. Elke Mantwill

Frau Dr. med. Mantwill ist niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Phlebologie und Akupunktur. Die Tätigkeitsschwerpunkte in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis sind Ernährungs- und Sportmedizin. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der Orthomolekular-Medizin und ist seit 2002 als Referentin im Bereich der Ernährungs- und Orthomolekular-Medizin aktiv. Als begeisterte Ausdauersportlerin führt sie zudem Ernährungsberatungen für Leistungssportler durch.