Mit Cholin gegen Angststörungen?

Menschen mit Angststörungen weisen einen Mangel des semiessenziellen Nährstoffs im Gehirn auf

Viele Menschen leiden an Angststörungen. Oft sind diese unbehandelt oder sprechen nicht auf Behandlungen an. Eine Übersichtsarbeit (Metaanalyse) verglich, welche biochemische Verbindungen in veränderter Konzentration im Gehirn vorkommen. Sie schloss 25 Datensätze ein, die mittels Protonen-Magnetresonanzspektroskopie erhoben worden waren. Dabei zeigte sich ein Cholin-Mangel als gemeinsames Merkmal.

Wer an sozialen Ängsten leidet, zieht sich meist zurück. Bild: MarinaZg/iStock/Getty Images Plus

Was hat die Metaanalyse verglichen?

Zu Angststörungen wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die mithilfe der Protonen-Magnetresonanzspektroskopie – einer nicht-invasiven medizinischen Bildgebungstechnik – neurologische Auffälligkeiten entdecken wollten. Die Forschenden haben sich dabei unter anderem kleine Moleküle (Metaboliten) angeschaut, die im Stoffwechsel und der Funktion des Gehirns eine Rolle spielen – sei es als Zwischen- oder als Abbauprodukt. Sie werden als Neurometaboliten bezeichnet, da sie für den Stoffwechsel der Nervenzellen wichtig sind.

Untersucht wurden beispielsweise

  • N-Acetylaspartat (NAA) – ein Derivat der Asparaginsäure: Es ist wichtig für die Bildung von Myelin (der schützenden Fettschicht um die Nervenfasern).
  • Kreatin plus Phosphokreatin: Sie sind für den Energiestoffwechsel notwendig.
  • Die Gesamtmenge an Cholin-haltigen Verbindungen: Dabei handelt es sich umZwischenprodukte im Stoffwechsel von Membranphospholipiden.
  • Myo-Inositol: Die vitaminähnliche Substanz ist unter anderem für die osmotische Regulation des Zellvolumens zuständig.
  • Glutamat: Es ist der wichtigste stimulierende Botenstoff (exzitatorische Neurotransmitter) im Gehirn.
  • Glutamat plus Glutamin
  • Gamma-Aminobuttersäure(GABA): Sie ist der wichtigste hemmende Botensoff (inhibitorische Neurotransmitter) im Gehirn.
  • Laktat: Das Salz der Milchsäure ist ebenfalls für den Energiestoffwechsel wichtig.

Für die Metaanalyse wurden 25 Datensätze aus 24 Studien ausgewählt. Sie umfassten 370 Menschen mit Angststörungen und 342 Kontrollpersonen.

Angststörungen gehen mit Cholin-Mangel einher

Zu den Angststörungen, die in der Übersichtsarbeit aufgenommen wurden, gehören die soziale Angststörung, die generalisierte Angststörung und die Panikstörung. Sie können die Lebensqualität teilweise erheblich mindern. Laut Gesundheitsatlas waren im Jahr 2023 in Deutschland knapp fünf Prozent der Bevölkerung (ab 10 Jahren) von einer Angststörung betroffen.

Die Übersichtsarbeit zeigt, dass der Gesamt-Colin-Gehalt im präfrontalen Cortex und in allen kortikalen Regionen bei Angststörungen im Vergleich zu den Kontrollpersonen signifikant reduziert war. Das steht im Gegensatz zu Metaanalysen anderer neuropsychiatrischer Erkrankungen, wie beispielsweise Schizophrenie oder bipolaren Störungen, in denen von erhöhten Cholin-Werten berichtet wurde.

Ein Kennzeichen von Angststörungen ist die chronisch erhöhte Erregung. Sie könnte den Cholin-Stoffwechsel im Gehirn auf verschiedene Weise beeinflussen – und zum Beispiel zu einem erhöhten Bedarf führen. Um die genauen Mechanismen aufzuklären, sind weitere Studien nötig. Genauso, um den Nutzen einer angemessenen Cholin-Supplementierung zu ermitteln.

N-Acetylaspartat blieb im präfrontalen Cortex unverändert, war aber in allen Bereichen der Großhirnrinde vermindert. Bei den anderen Neurometaboliten ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.

Der präfrontale Cortex wird auch als Stirnhirn bezeichnet, da er den vorderen Teil des Frontallappens (Frontalhirns) einnimmt. Er ist als oberste Steuerzentrale des Gehirns für Planung, Entscheidungsfindung und soziale Verhaltensweisen zuständig.

Wofür benötigt der Körper Cholin?

Cholin ist Bestandteil der Fette (Lipide) der Zellmembran und wichtig für die Herstellung des Botenstoffs (Neurotransmitters) Acetylcholin, der Nervenreize weiterleitet. Im Gehirn ist er unter anderem für das Gedächtnis notwendig. Ein Cholin-Mangel kann aber auch den Fettstoffwechsel in der Leber stören.

Unser Körper kann Cholin bilden, aber oft nicht ausreichend. Deshalb gilt es als semi-essenzieller Nährstoff. Die empfohlene Tagesmenge liegt bei 400 Milligramm für Erwachsene und Jugendliche (15–17 Jahre). Gute Lieferanten sind zum Beispiel Rinderleber und Rindfleisch, Eier, Huhn, Fisch, Milch und Sojabohnen. Vegetarier und insbesondere Veganer weisen oft einen Mangel auf. Hier kann eine zusätzliche Einnahme sinnvoll sein.

Auch Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf.

Fazit: Auf die Versorgung mit Cholin achten

Die Übersichtsarbeit (Metaanalyse) hat gezeigt, dass ein Cholin-Mangel im Gehirn für Angststörungen charakteristisch ist. Auch wenn weitere Studien notwendig sind, um die genauen Mechanismen und die Wirksamkeit einer Cholin-Supplementierung aufzuklären, ist es sinnvoll, auf eine ausreichende Versorgung mit diesem wichtigen Nährstoff zu achten. Vor allem Fleisch und Eier, aber auch Sojabohnen sind gute Cholin-Lieferanten. Insbesondere Menschen, die auf tierische Produkte verzichten, und Personen mit einem erhöhten Bedarf wie Schwangere und Stillende sollten – nach ärztlicher Rücksprache – Mikronährstoffpräparate in Betracht ziehen.

Verzeichnis der Studien und Quellen

EFSA (17.08.2016): Dietary Reference Values for choline.
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.2903/j.efsa.2016.4484, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

Flexikon (DocCheck) (21.03.2023): Cholin.
https://flexikon.doccheck.com/de/Cholin, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

Flexikon (DocCheck) (16.12.2025): Präfrontaler Cortex.
https://flexikon.doccheck.com/de/Pr%C3%A4frontaler_Cortex, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

Gesundheitsatlas Deutschland (o. D.): Angststörungen.
https://gesundheitsatlas-deutschland.de/erkrankung/angst, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

Maddock RJ & Smucny J (2025): Transdiagnostic reduction in cortical choline-containing compounds in anxiety disorders: a 1H-magnetic resonance spectroscopy meta-analysis.
https://www.nature.com/articles/s41380-025-03206-7, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

Orthoknowledge (08.09.2020): Zusammenfassung: Cholin.
https://www.orthoknowledge.eu/zusammenfassung/zusammenfassung-cholin, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

pressetext (14.11.2025): Eier und Leber können gegen Ängste helfen.
https://www.pressetext.com/news/20251114001, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

StudySmarter (17.10.2024): Präfrontaler Kortex.
https://www.studysmarter.de/studium/biologie-studium/neurowissenschaften/praefrontaler-kortex/, zuletzt abgerufen am 16.12.2025.

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