Vitamin A und seine Funktionen

Mit welchen Mikronährstoffen es zusammenarbeitet und warum wir nicht immer ausreichend versorgt sind

Chemische Formel von Vitamin A
Vitamin A ist ein fettlösliches Vitamin. Der Körper ist auf die Zufuhr über Lebensmittel angewiesen, denn wir können es nicht selbst bilden. Ekaterina79/iStock/Getty Images Plus

Vitamin A und seine Formen

Vitamin A ist ein Oberbegriff für verschiedene Formen des Vitamins. Im Körper wichtig sind Retinal, Retinol und Retinsäure.

  • Retinal wird in den Augen gebraucht. Es ist Bestandteil des Sehpigments in der Netzhaut, das für das Hell- und Dunkelsehen verantwortlich ist.
  • Retinol ist die Transportform von Vitamin A. Sie ist an Eiweiße gebunden und wandert so durch das Blut.
  • Retinsäure wird aus Retinol hergestellt. Sie ist zum Beispiel für die Zellteilung in unserer Haut oder Schleimhaut wichtig oder für die Bildung maßgeblicher Faktoren unseres Immunsystems. Zudem stabilisiert Retinsäure die Blut-Retina-Schranke (Retina = Netzhaut), die Blut-Hirn-Schranke sowie die Blut-Darm-Barriere.

Info

In Lebensmitteln liegt Vitamin A in Form von Retinol oder Retinylestern vor. Retinylester sind Verbindungen aus Retinol und Fettsäuren. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Käse oder Fisch sind besonders gute Quellen. Pflanzliche Lebensmittel liefern dagegen hauptsächlich die Vitamin-A-Vorstufe Beta-Carotin.

Wirkweise: Vitamin A arbeitet direkt am Zellkern

Vitamin A (Retinsäure) hat wie Vitamin D eine Besonderheit: Beide binden an Andockstellen (Rezeptoren) innerhalb der Zelle direkt am Zellkern an. Auf diese Weise arbeiten Vitamin A und D zusammen. Sie sind zum Beispiel wichtig für das Immunsystem.

Im Zellkern laufen alle maßgeblichen Vorgänge ab. Dazu gehört die Verdoppelung des Erbguts (DNA). Damit ist Vitamin A (wie Vitamin D) an Wachstumsprozessen beteiligt und an der Ausprägung unserer Gene.

Expertenwissen

Bisher sind zwei nukleäre Retinoidrezeptoren bekannt:

  • Retinsäurerezeptoren (RAR, Retinoic Acid Receptor); Aktivierung durch all-trans-Retinsäure
  • Retinoid-X-Rezeptoren (RXR); Aktivierung durch 9-cis-Retinsäure

Nach Assoziation mit den Retinsäureliganden bilden RAR und RXR Dimere und binden an die Promotorregion bestimmter Gene an. RAR und RXR gehören zur Superfamilie der Kernrezeptoren – ähnlich wie der Rezeptor für Schilddrüsenhormone oder Steroidhormone. Sie können entweder als Homodimer vorliegen oder als Heterodimere. Zur Heterodimerisierung stehen nicht nur RAR und RXR als Partner zur Verfügung, sondern zum Beispiel auch der Vitamin-D-Rezeptor (VDR).

Vitamin A braucht andere Mikronährstoffe

Vitamin A wird nicht nur von Vitamin D in seiner Funktion unterstützt, auch Fettsäuren sind wichtig. Forscher haben festgestellt, dass sich Andockstellen für Vitamin A und Fettsäuren zusammenlagern, dann in den Zellkern wandern und so ein und dieselbe Wirkung auslösen. Dazu zählt vor allem die Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA).

Damit DHA wirkt, muss also die Versorgung mit Vitamin A stimmen und umgekehrt. Beide sind auf diese Weise zum Beispiel wichtig für die Gehirnentwicklung eines ungeborenen Kindes im Mutterleib.

Wie viel Vitamin A brauchen wir?

Mindestens 25 Prozent der Menschen in Deutschland decken ihren Vitamin-A-Bedarf laut einer großen Erhebung nicht ausreichend. Pro Tag braucht ein gesunder Mann laut der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) 1.000 Mikrogramm Retinoläquivalent. Darunter werden alle Vitamin-A-Formen zusammengefasst – auch die Vorstufe Beta-Carotin, die in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt.

Ein Vitamin-A-Mangel äußert sich zum Beispiel durch Sehstörungen wie Nachtblindheit, Eisenmangelanämie, Wachstumsstörungen oder durch eine erhöhte Infektanfälligkeit. Welche Personen besonders von einem Mangel betroffen sein können, erfahren Sie hier.

Können wir aus Beta-Carotin wirklich ausreichend Vitamin A bekommen?

Oft wird Beta-Carotin empfohlen, um den Vitamin-A-Bedarf zu decken. Beta-Carotin ist die pflanzliche Vorstufe, die der Körper in Retinol (Vitamin A) umwandeln kann. In Form seiner Vorstufe kann Vitamin A kaum überdosiert werden.

Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Umwandlungsrate nicht so gut ist wie angenommen. Vermutlich liegt sie nur in einem Bereich von 36:1 – und nicht bei 6:1. Das heißt, es muss täglich mindestens 36-mal so viel Beta-Carotin zugeführt werden wie Vitamin A – und nicht wie vermutet nur 6-mal so viel.

Hinzu kommt: Die Umwandlungsrate ist von Person zu Person unterschiedlich. Forscher stellten bei hellhäutigen Menschen (Kaukasier) Abweichungen von bis zu 50 Prozent fest. Auch könnten bestimmte Genvarianten dazu führen, dass Enzyme, die Beta-Carotin in Vitamin A umwandeln, bei einigen Personen schlechter arbeiten. Wahrscheinlich erreichen deshalb noch mehr Menschen als vermutet die Zufuhrempfehlung nicht.

Zusammenfassung

Vitamin A ist ein wichtiges Vitamin. Es arbeitet zusammen mit Vitamin D und DHA direkt am Zellkern und reguliert zum Beispiel Wachstums- und Entwicklungsprozesse. Auch für das Immunsystem, die Haut und Schleimhäute oder das Sehen ist Vitamin A unverzichtbar.

Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass noch mehr Menschen unterversorgt sein könnten als bisher vermutet: Möglicherweise ist die Umwandlungsrate von Beta-Carotin in Vitamin A geringer als gedacht. Meistens wird Beta-Carotin empfohlen, weil es die Vorstufe von Vitamin A ist. Es ist aber wichtig, dass auch ausreichend Vitamin A direkt aufgenommen wird.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über den Autor

Uwe Gröber

Uwe Gröber ist Leiter der Akademie für Mikronährstoffmedizin und zählt zu den führenden Mikronährstoffexperten Deutschlands mit seinen Spezialgebieten Pharmakologie, Mikronährstoffmedizin, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen, Metabolic Tuning, Ernährungs-, Sport- und Präventivmedizin sowie komplementäre Verfahren in der Diabetologie und Onkologie (z.B. Tumoranämie). Er ist europaweit seit Jahren aktiv in der Aus- und Fortbildung von Ärzten, Apothekern und Ernährungswissenschaftlern tätig, unter anderem als Dozent an der Dresdner International University (DIU). Zudem ist er aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie (PRIO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).