Niacin ist an über 200 Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt. Es hilft zum Beispiel dabei, die Energie aus der Nahrung zu verwerten, den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel zu regulieren sowie Körperzellen zu schützen und zu regenerieren. Erfahren Sie, wie Sie einen Niacin-Mangel erkennen und beheben können und bei welchen Erkrankungen oder Medikamenten Sie auf eine gute Niacin-Versorgung achten sollten.
Eigenschaften und Vorkommen in Lebensmitteln
Eigenschaften von Niacin
Niacin ist der Sammelbegriff für verschiedene Verbindungen. Die zwei wichtigsten sind Nicotinsäure und Nicotinsäureamid, auch nur Nicotinamid genannt. Beide haben die gleiche Funktion.
Niacin ist wasserlöslich und gehört zur Gruppe der B-Vitamine. Deshalb ist es auch unter der Bezeichnung Vitamin B3 bekannt.
Der Körper nimmt Niacin über Lebensmittel auf, kann es jedoch auch aus der Aminosäure Tryptophan bilden. Allerdings wird das meiste Tryptophan zur Bildung von Eiweißen genutzt. Deshalb ist der Körper auf die Zufuhr von Niacin über die Nahrung angewiesen.
Vorkommen in Lebensmitteln
Niacin kommt in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch oder Leber vor, aber auch in Erdnüssen, Gemüse und Vollkornprodukten. Diese fünf Lebensmittel sind besonders reich an Niacin:
Fünf wichtige Niacin-Lieferanten: | Milligramm (mg) pro 100 Kalorien (kcal) | Milligramm pro 100 Gramm |
---|---|---|
Leber | 11,5 bis 15 | 15 bis 20 |
Rindfleisch | 7,5 | 9 |
Weizenvollkornmehl | 2,5 | 7,5 |
Erdnüsse | 2 | 15 |
Gouda, 45% F. i. Tr. | 1,5 | 5 |
Hinweis: Werte können schwanken.
Bedarf und Funktionen im Körper
Wie hoch ist der Tagesbedarf an Niacin?
Da der Körper Niacin aus der Aminosäure Tryptophan auch selbst herstellen kann, wird der Bedarf als sogenannte Niacin-Äquivalente angegeben: Ein Milligramm Niacin-Äquivalente entspricht einem Milligramm Niacin oder 60 Milligramm Tryptophan. Der Einfachheit halber wird im weiteren Text nur von Niacin in Milligramm gesprochen.
Der Tagesbedarf an Niacin ist abhängig vom Alter und Geschlecht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beziffert den Bedarf bei Jugendlichen auf rund 15 Milligramm Niacin und bei Erwachsenen auf 11 bis 16 Milligramm am Tag. Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Niacin-Bedarf erhöht: Schwangere im 4. bis einschließlich 6. Monat benötigen täglich 14 Milligramm, Frauen ab dem 7. Monat der Schwangerschaft sowie Stillende 16 Milligramm Niacin.
Täglicher Niacin-Bedarf in Milligramm (mg) | |
---|---|
Jugendliche bis 19 Jahre: Männer Frauen | 17 13 |
Erwachsene 19 bis 25 Jahre: Männer Frauen | 16 13 |
Erwachsene 51 bis 65 Jahre: Männer Frauen | 15 12 |
Senioren ab 65 Jahren: Männer Frauen | 14 11 |
Schwangere im 4. bis einschließlich 6. Monat | 14 |
Schwangere ab dem 7. Monat | 16 |
Stillende Mütter | 16 |
Niacin-Aufnahme in den Körper und Speicherung
Niacin wird als Nicotinamid oder Nicotinsäure aus der Nahrung im Dünndarm aufgenommen. Die Aufnahmerate ist abhängig von der aufgenommenen Menge.
Über das Blut gelangt Niacin in die Leber und wird hier in einer Speicherform zwischen zwei und sechs Wochen lang gespeichert. Bei Bedarf aktiviert die Leber diese Speicherform und stellt sie anderen Geweben zur Verfügung. Zudem wird Niacin in anderen Organen wie Herz und Nieren gespeichert.
Welche Aufgaben übernimmt Niacin?
Niacin spielt bei einer Reihe von Stoffwechselprozessen im Körper eine wichtige Rolle.
Energiestoffwechsel: In Form von Nicotinamid hilft Niacin, Energie bereitzustellen, indem sie am Abbau der Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette mitwirkt.
Zellschutz und Reparatur: Sogenannte freie Radikale sind aggressive Sauerstoffverbindungen, die die Zellen im Körper schädigen können. Niacin hilft dabei, die Zellen vor solchen Schäden zu schützen. Außerdem wird Niacin benötigt, um die Erbinformation (DNA) in den Zellen zu reparieren.
Cholesterinstoffwechsel: Die NiacinformNicotinsäure reduziert erhöhte Cholesterinspiegel im Körper – vor allem das „schlechte“ LDL-Cholesterin.
Immunsystem: Niacin ist an der Ausreifung bestimmter Abwehrzellen beteiligt (Granulozyten und Monozyten).
Blutzuckerspiegel: Gemeinsam mit Chrom ist Niacin an der Wirkung des Blutzuckerhormons Insulin beteiligt. Dadurch hilft es, den Blutzuckerspiegel zu regulieren.
Mangel erkennen und beheben
Anzeichen eines Niacin-Mangels erkennen
Erste Anzeichen eines Niacin-Mangels sind Appetitverlust, Schlaflosigkeit, Schwäche oder Gedächtnisstörungen.
Bei einem starken Mangel zeigen sich die Beschwerden der typischen Niacin-Mangelerkrankung Pellagra: raue Haut, Durchfall und Demenz. Bei dieser Erkrankung rötet sich die Haut und verhornt – insbesondere an Körperstellen, die dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Durch den Niacin-Mangel kommt es bei Pellagra zu Fehlfunktionen des Verdauungstraktes, die sich in entzündeten Schleimhäuten, Erbrechen und Durchfall äußern. Bei einem besonders starken Mangel ist zudem das Nervensystem derart gestört, das die Betroffenen unter Schwindel, Kopfschmerzen und Verwirrtheit leiden. Die Symptome gehen zurück, sobald der Niacin-Mangel ausgeglichen ist.
Wer ist von einem Niacin-Mangel betroffen?
Bei einem Niacin-Mangel ist entweder der Stoffwechsel der Aminosäure Tryptophan gestört oder der Körper erhält weder ausreichend Tryptophan zur Bildung von Niacin noch Niacin aus der Nahrung. Diese Risikogruppen sind besonders häufig von einem Niacin-Mangel betroffen:
Frauen: Bei Frauen ist ein Niacin-Mangel häufiger als bei Männern, da Abbauprodukte der weiblichen Geschlechtshormone, der sogenannten Östrogene, die Umwandlung von Tryptophan zu Niacin hemmen können.
Senioren: Bei Senioren kommt grundsätzlich ein Mangel an verschiedenen Nährstoffen vor, da zum Beispiel der Appetit im Alter abnimmt. Deshalb fehlt nicht nur Niacin aus der Nahrung, auch fehlen Nährstoffe, die für die körpereigene Niacinbildung benötigt werden – zum Beispiel die Aminosäure Tryptophan oder andere B-Vitamine.
Alkoholkranke:Alkoholsüchtige haben ein höheres Risiko für einen Niacin-Mangel. Durch die Erkrankung kommt es einerseits häufig zur Fehlernährung und einer geringen Niacinzufuhr. Andererseits fehlen Nährstoffe, die zur Niacinbildung notwendig sind, wie Tryptophan und andere B-Vitamine.
Personen mit Schizophrenie: Ein Niacin-Mangel kommt bei der erblich bedingten Schizophrenie vor, da bei dieser Erkrankung Nicotinamid im Gehirn verstärkt verbraucht wird.
Menschen in Entwicklungsländern: Ein Niacin-Mangel kommt hauptsächlich bei Menschen in Entwicklungsländern vor, die sich einseitig und vor allem von Mais und Maisprodukten ernähren: Mais enthält Niacin in einer Verbindung, die der Magen-Darm-Trakt nur schwer aufschließen kann.
Niacin: Laborwerte verstehen
Es gibt mehrere Methoden, um den Niacin-Status zu bestimmen. Niacin kann entweder im Blut bestimmt werden, zum Beispiel in der Blutflüssigkeit (Serum) und in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten), oder im Urin. Im Urin werden Abbauprodukte von Niacin bestimmt, zum Beispiel N1-Methylnicotinamid.
Welche Methode durchgeführt wird, entscheiden der Arzt und das Labor, mit dem er zusammenarbeitet.
N1-Methyl-Nicotinamid im Urin in Mikromol pro Tag (µmol/Tag) | Niacin im Serum in Mikrogramm pro Liter (µg/l) | |
---|---|---|
Normalwerte | über 17,5 | 30 bis 100 |
Niedriger Spiegel | 5,8 bis 17,5 | 10 bis 30 |
Niacin-Mangel | unter 5,8 | unter 10 |
Einen Niacin-Mangel beheben
Bei einem Mangel muss Niacin auf Anraten eines Arztes hochdosiert eingenommen werden. Bei der Niacin-Mangelerkrankung Pellagra wird je nach Stärke des Mangels eine Dosierung von 300 bis 500 Milligramm Nicotinamid pro Tag empfohlen.
Solche hohen Mengen sind über die normale Ernährung kaum zu erreichen: So müsste man, um auf eine Dosis von 500 Milligramm Niacin zu kommen, rund 2,5 Kilogramm Leber täglich essen. Da Leber oft mit Schadstoffen belastet ist, sollte sie nicht so häufig auf dem Speiseplan stehen. Auch durch andere niacinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Erdnüsse oder Gemüse lassen sich die benötigten Niacin-Mengen nicht erreichen.
Aus diesem Grund empfehlen Ärzte bei einem Niacin-Mangel, hochdosierte Niacin-Präparate über mindestens fünf Tage einzunehmen. Nach dieser Zeit sollten die Betroffenen auf eine ausgewogene, eiweiß- und niacinreiche Ernährung achten, um einem Mangel zukünftig vorzubeugen. Eine Auswahl geeigneter Lebensmittel finden Sie unter Vorkommen in Lebensmitteln.
Ist die Niacin-Aufnahme etwa durch eine Stoffwechselerkrankung dauerhaft gestört, können die Dosierungsempfehlungen auch deutlich höher liegen und die lebenslange Einnahme eines Niacin-Präparates notwendig werden.
Dosierungsempfehlung von Niacin am Tag in Milligramm (mg) | |
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Mangel | 300 bis 500 |
Einsatz bei Krankheiten
Niacin bei gestörten Blutfettwerten: LDL- und HDL-Cholesterin
Niacin wird in der Mikronährstoffmedizin bei gestörten Blutfettwerten eingesetzt, wie zu hohen Cholesterinwerten. Als Nicotinsäure senkt Niacin nachweislich den Cholesterinspiegel im Blut, insbesondere das „schlechte“ LDL-Cholesterin. LDL-Cholesterin kann sich in den Blutgefäßen ablagern und zu einer Gefäßverkalkung führen.
Zur Senkung des Cholesterinspiegels werden pro Tag zwischen 1.000 und 3.000 Milligramm Niacin als Nicotinsäure empfohlen. Eine Rücksprache mit dem Arzt ist unbedingt erforderlich.
Info
Zu beachten: Die Einnahme von Nicotinsäure kann ab einer Menge von 50 bis 100 Milligramm zu einem sogenannten Flush führen. Dies ist eine Rötung der Haut in Kombination mit einem Hitzegefühl, Juckreiz und Kribbeln.
Das Risiko ist nicht bei allen Personen gleich hoch: Einige vertragen Nicotinsäure in dieser Menge gut, andere nicht. In der Regel ist ein Flush harmlos. Da diese Nebenwirkung allerdings sehr unangenehm ist, sollte Nicotinsäure abgesetzt werden. Sie können die Stärke eines Flushs vermindern, indem Sie Niacin nach dem Essen mit viel kalter Flüssigkeit einnehmen. Wie sie mit anderen Mikronährstoffen Ihren Cholesterinspiegel senken können, erfahren Sie hier.
Niacin als Nicotinamid erhöht niedrige HDL-Cholesterinwerte. HDL-Cholesterin wird als „gutes“ Cholesterin bezeichnet, da es „schlechte“ Fette im Blut bindet und sie zwecks Abbau zur Leber transportiert. Ein hoher HDL-Spiegel schützt daher vor einer Gefäßverkalkung. Pro Tag werden zur Erhöhung von HDL-Cholesterin 500 bis 1.500 Milligramm Nicotinamid empfohlen.
Info
Niacin als Nicotinamid verursacht keinen Flush.
Niacin stoppt das Fortschreiten von Typ-1-Diabetes
Verschiedene hochwertige Studien weisen darauf hin, dass sich Niacin günstig auf einen Typ-1-Diabetes auswirkt. Bei einem Typ-1-Diabetes zerstören körpereigene Abwehrzellen die Zellen der Bauchspeicheldrüse: Es kann kein Insulin mehr gebildet werden.
Niacin als Nicotinamid kann die Insulinempfindlichkeit erhalten, indem es die Zellen der Bauchspeicheldrüse vor dem Angriff der Abwehrzellen schützt und ihre Reparatur fördert. So lässt sich möglicherweise verhindern, dass der Typ-1-Diabetes weiter fortschreitet. Zur unterstützenden Behandlung eines Typ-1-Diabetes werden täglich bis zu 3.000 Milligramm Niacin empfohlen.
Dosierungsempfehlungen bei Krankheiten auf einen Blick
Dosierungsempfehlung von Niacin am Tag in Milligramm (mg) | |
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Fettstoffwechselstörungen: Senkung des LDL-Cholesterins Erhöhung des HDL-Cholesterins | 1.000 bis 3.000 (als Nicotinsäure) 500 bis 1.500 (als Nicotinsäure) |
Typ-1-Diabetes | bis zu 3.000 |
Einsatz bei Medikamenten
Niacin kann Leberschäden durch Paracetamol abschwächen
Das Schmerzmittel Paracetamol kann die Leber schädigen, insbesondere wenn es über einen längeren Zeitraum eingenommen wird. Da Niacin wichtig ist für die Reparatur geschädigter Zellen, sollten Personen, die regelmäßig Paracetamol einnehmen, auf ihre Versorgung mit Niacin achten (mindestens 50 Milligramm). Beispielmedikamente sind Captin®, Contac®, Parapaed® und Perfalgan®.
Parkinsonmittel können die Niacin-Verwertung hemmen
Sogenannte Decarboxylase-Hemmer werden bei Parkinson zusammen mit dem Medikamentenwirkstoff L-Dopa eingesetzt. Decarboxylase-Hemmer können allerdings zu einem Niacin-Mangel führen: Sie hemmen im Körper ein Enzym, das Niacin in eine wirksame Form umwandelt.
Zu diesen Medikamenten zählen zum Beispiel Carbidopa und Benserazid (Madopa®r, Levopar®, Levodopa comp®).
Parkinson-Patienten, die Decarboxylase-Hemmer einnehmen, sollten deshalb auf ihre Niacin-Zufuhr achten. Sinnvoll sind 50 bis 100 Milligramm Niacin am Tag
Tuberkulose- und Krebsmedikamente stören die Niacin-Aufnahme
Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die die Aufnahme und Verwertung von Niacin im Körper beeinträchtigen und zu einem Niacin-Mangel führen können. Das Tuberkulosemedikament Isoniazid (Isozid®, Tebesium®) und das Krebsmittel Mercaptopurin (Puri-Nethol®) behindern die Umwandlung von Tryptophan zu Niacin.
Bei einer Therapie mit Isoniazid wird eine Niacin-Dosierung von 500 bis 3.000 Milligramm täglich empfohlen.
Niacin begleitend zu Medikamenten: Dosierungsempfehlungen auf einen Blick
Dosierungsempfehlung von Niacin am Tag in Milligramm (mg) | |
---|---|
Paracetamol | mindestens 50 |
Decarboxylase-Hemmer | mindestens 50 |
Isoniazid und Mercaptopurin | mindestens 500 |
Einnahmeempfehlung
Wann und wie sollte Niacin eingenommen werden?
Durch eine ausgewogene Ernährung lässt sich einem Niacin-Mangel in der Regel vorbeugen. Sollte der Körper etwa durch Vorerkrankungen nicht in der Lage sein, Niacin in ausreichendem Maße aufzunehmen oder zu bilden, müssen geeignete Niacin-Präparate eingenommen werden. Zudem kann Niacin in der Mikronährstoffmedizin zur unterstützenden Behandlung bestimmter Erkrankungen eingesetzt werden. Auch dann reichen die Mengen in Lebensmitteln nicht aus, um die empfohlenen Dosierungen zu erzielen.
Niacin wird als Pulver, in Form von Tabletten, Ampullen oder Kapseln eingenommen. Wird Niacin als Nicotinsäure eingenommen, kann es zu einem Flush kommen. Dieser kann vermieden oder reduziert werden, indem die Nicotinsäure nach dem Essen mit viel kalter Flüssigkeit eingenommen wird.
Woran erkennt man ein gutes Niacin-Präparat?
Eines der größten Probleme, die bei der Einnahme von Niacin-Präparaten auftreten, sind Flushs (Mehr dazu lesen Sie in dem Kapitel „Ist eine Überdosierung mit Niacin möglich?“).
Deshalb sollte das Präparat eine Niacin-Form enthalten, die keinen Flush hervorruft. Das ist entweder die Form Nicotinamid oder sogenanntes Inositol-Hexaniacinat. Aus beiden Formen gelangt Niacin langsamer in das Blut als aus Nicotinsäure. Der Flush bleibt deshalb aus.
Info
Allerdings ist Nicotinsäure die einzige Form, die erhöhtes LDL-Cholesterin senken kann.
Gute Vitaminpräparate enthalten zudem möglichst keine Zusatzstoffe wie Farb- und Aromastoffe oder technische Hilfsstoffe. Produzenten setzen Letztere meist ein, um Mikronährstoffe besser abfüllen zu können. Substanzen, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen, sollten in guten Präparaten ebenfalls nicht zu finden sein.
Überdosierung, Wechselwirkungen und Hinweise bei bestehenden Erkrankungen
Ist eine Überdosierung mit Niacin möglich?
Die Niacin-Form Nicotinsäure kann ab einer Dosierung von 50 bis 100 Milligramm Nebenwirkungen hervorrufen. Dies äußert sich etwa 10 bis 45 Minuten nach der Einnahme in Form eines sogenannten Flushs: Dabei weiten sich die Blutgefäße der Haut und der inneren Organe, was zu den typischen Beschwerden wie Hautrötungen, Hitzegefühl, Juckreiz und Kribbeln führt. Ein Flush ist an sich harmlos, allerdings sehr unangenehm: Setzt man Nicotinsäure ab, verschwinden die Beschwerden wieder.
Es gibt Niacin-Formen, die keine Nebenwirkungen verursachen. Dazu gehören Nicotinamid oder sogenanntes Inositol-Hexaniacinat. Beide Formen werden langsamer aufgenommen und lassen den Blutspiegel nicht so stark ansteigen. Dadurch bleiben Nebenwirkungen aus. Der Nachteil dieser Formen ist allerdings, dass sie erhöhte LDL-Cholesterinwerte nicht senken.
Info
Man kann das Risiko für einen Flush verringern, indem man Nicotinsäure nach einer Mahlzeit einnimmt und dabei auf heiße Getränke oder Alkohol verzichtet. Zudem ist das Auftreten abhängig vom Versorgungszustand: Diejenigen, die am meisten Niacin benötigen, erleben diesen Flush am wenigsten. Es gibt auch Medikamente (Antihistaminika), die einen Flush abschwächen. Ob dies im Einzelfall sinnvoll ist, entscheidet aber der Arzt.
Nicotinsäure kann ab einer Dosierung von 1.500 Milligramm pro Tag den Homocysteinspiegel erhöhen, wenn es über mehrere Wochen eingenommen wird. Homocystein ist ein Zellgift, das bei Stoffwechselprozessen anfällt und Blutgefäße schädigen kann. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, sollten bei längerer Niacineinnahme zusätzlich Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure ergänzt werden.
Niacin hemmt die Aufnahme bestimmter Antibiotika
Niacin sollte nicht gemeinsam mit bestimmten Antibiotika, den Tetrazyklinen (Fluorex Plus®, Mysteclin®), eingenommen werden, da es deren Aufnahme in den Körper behindert. Empfohlen wird ein Einnahmeabstand von zwei bis drei Stunden.
Nicotinsäure steigert die Wirkung von Blutverdünnern und Blutdrucksenkern
Niacin in Form von hochdosierter Nicotinsäure steigert die Wirkungsweise von Blutverdünnern (zum Beispiel Marcumar®, Falithrom®) und Blutdrucksenkern (zum Beispiel Delix®, Ramicard®, Ramiclaire®). Eine Einnahme von Niacin als Nicotinsäure sollte daher mit dem behandelnden Arzt besprochen und von ihm kontrolliert werden.
Niacin kann die Wirkung von Gichtmitteln beeinträchtigen
Die Einnahme hoher Dosen Niacin kann eine bestehende Gicht verschlechtern und die Wirkung des Gicht-Medikaments Allopurinol (zum Beispiel Zyloric®, Allobeta®) beeinträchtigen. Wer an Gicht leidet, sollte daher eine Einnahme von Niacin mit dem behandelnden Arzt besprechen.
Hinweise bei Lebererkrankungen und Herz-Kreislauf-Schwäche
Bei Dosierungen von 750 Milligramm Nicotinsäure pro Tag wurden leberschädigende Effekte mit Gelbsucht beschrieben. Betroffene mit bestehenden Lebererkrankungen sollten die Einnahme von Nicotinsäure mit ihrem behandelnden Arzt besprechen.
Betroffene mit Herz-Kreislauf-Schwäche sollten Dosierungen von Nicotinsäure, die über den Tagesbedarf hinausgehen, unbedingt mit ihrem Arzt besprechen. Dosierungen über 1.000 Milligramm Nicontinsäure dürfen nicht eingenommen werden.
Hinweise bei Diabetes mellitus
Nicotinsäure kann die Verwertung von Traubenzucker (Glukose) stören und den Blutzuckerspiegel erhöhen. Dies geschieht bei Dosierungen von 3.000 Milligramm Nicotinsäure pro Tag. Personen mit Diabetes mellitus sollten daher besonders gut vom Arzt überwacht werden.
Zusammenfassung
Niacin gehört zu den wasserlöslichen Vitaminen und wird auch als Vitamin B3 bezeichnet. Ein Niacin-Mangel kommt in Deutschland nur selten vor. In der Regel nehmen die Menschen hierzulande ausreichend Niacin über die Nahrung auf. Ältere Menschen, Frauen, Alkoholkranke und Menschen mit Stoffwechselerkrankungen gehören zu den Risikogruppen für einen Niacin-Mangel.
In der orthomolekularen Medizin kommen Niacin-Präparate vor allem zum Einsatz, um eine Reihe von Stoffwechselprozessen zu optimieren. So verbessert Nicotinsäure zum Beispiel die Cholesterinwerte, indem es den HDL-Spiegel erhöht und den LDL-Spiegel senkt. Das schützt vor Gefäßverkalkungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenso spielt Niacin eine Rolle bei der Vorbeugung und Behandlung von Typ-1-Diabetes.
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