Knochengesundheit erhalten bei vegetarischer und veganer Ernährung

Eine neue Studie zeigt: Pescetarier, Vegetarier und Veganer haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche im Hüftbereich

Hand mit Kugelschreiber zeigt auf einen Knochenbruch auf einem MRT-Bild
Vor allem Veganer, aber auch Vegetarier und Fischesser (Pescetarier) haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche im Hüftbereich. Bild: Shidlovski/iStock/Getty Images Plus

Was wurde untersucht?

Eine neue große Beobachtungsstudie zeigt, dass Veganer ein höheres Risiko für Knochenbrüche (Frakturen) haben. Diese Daten stammen aus der sogenannten EPIC-Oxford-Studie.

Im Vergleich zu Fleischessern ist das grundsätzliche Risiko, einen Knochenbruch zu erleiden, für Veganer um 43 Prozent höher. Auch Vegetarier und Personen, die Fisch essen (Pescetarier) betreffen Brüche der Hüfte deutlich häufiger. Rechnet man das Risiko auf 1.000 Menschen und zehn Jahre hoch, ereignen sich bei Vegetariern und Pescetariern etwa drei und bei Veganern 15 Brüche der Hüfte mehr. Veganer haben somit ein 2,3-faches Risiko, einen Knochenbruch im Bereich der Hüfte zu erleiden.

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Besonders Knochenbrüche im Bereich der Hüfte sind ein Zeichen von Knochenschwund (Osteoporose). Denn auf diesem Knochen lastet das ganze Gewicht des Körpers. Brüche der Arme und Beine werden dagegen meist durch Unfälle verursacht. Osteoporose wird maßgeblich durch die Ernährung und Bewegung beeinflusst.

Wie war die Studie aufgebaut?

Die Wissenschaftler sammelten von fast 55.000 Männern und Frauen per Fragebogen Informationen zu ihrem Essverhalten. Sie wurden aufgrund dieser Angaben in 4 Gruppen eingeteilt: Fleischesser, Fischesser (Pescetarier), Vegetarier und Veganer. Über einen durchschnittlichen Zeitraum von fast 18 Jahren erfassten die Wissenschaftler auftretende Knochenbrüche.

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Folgende Definitionen lagen der Einteilung in Gruppen zugrunde: Fleischesser (mit Fleisch und Fisch, Milch und Eiern), Pescetarier (ohne Fleisch, mit Fisch, Milch und Eiern), Vegetarier (ohne Fleisch und Fisch, aber mit Milch und Eiern) und Veganer (ohne Fleisch, Fisch, Milch, Eier).

Calcium und Eiweiß: wichtig für die Knochengesundheit

Die Zufuhr des Knochenmineralstoffes Calcium lag in der veganen Gruppe lediglich bei knapp 600 Milligramm pro Tag und damit niedriger als in allen anderen Gruppen (etwa 1.000 Milligramm pro Tag). Auch die Zufuhr an Eiweiß war sowohl in der vegetarischen (14 Prozent) wie auch in der veganen Gruppe (13 Prozent) deutlich niedriger als bei Fisch- und Fleischessern (15 beziehungsweise 17 Prozent).

Eine hohe Eiweißzufuhr verbessert wahrscheinlich die Aufnahme von Calcium aus dem Darm. Weiterhin wird die Produktion eines Wachstumsfaktors der Knochen stimuliert. Durch diese beiden Mechanismen könnte eine höhere Eiweißzufuhr die Knochengesundheit verbessern. Insgesamt ist der Beitrag von Eiweiß zur Knochendichte jedoch noch nicht gesichert.

Die Forscher der EPIC-Oxford-Studie prüften, ob das erhöhte Knochenbruch-Risiko weiterhin besteht, wenn die geringe Calcium- und Eiweißzufuhr herausgerechnet wurde. Sie kamen zu dem Schluss, dass die geringe Zufuhr an Calcium und Eiweiß nur für einen Teil des erhöhten Risikos verantwortlich ist. Weitere, noch unbekannte Faktoren müssen erforscht werden. Vermutet wird unter anderem ein Einfluss von anderen Nährstoffen, die überwiegend in tierischen Lebensmitteln enthalten sind.

Wie wirkt sich das Körpergewicht auf die Knochengesundheit aus?

Frühere Studien zeigen, dass ein höherer Body-Mass-Index (BMI) mit einem verringerten Risiko für Knochenbrüche einhergeht, insbesondere an der Hüfte. Auch in der EPIC-Oxford-Studie fanden Forscher ein erhöhtes Risiko bei Veganern mit einem BMI unter 22,5 kg/m². Als Gründe dafür werden diskutiert:

  • Das höhere Körpergewicht fördert den Knochenaufbau.
  • Eine größere Muskelmasse verringert Stürze und damit die Gefahr für Brüche.
  • Eine vermehrte Hormonbildung aus dem Fettgewebe vermindert den Knochenabbau.

Vegetarier und Veganer haben einen niedrigeren BMI (22,9 beziehungsweise 22,1 kg/m²) als Fleischesser (24,5 kg/m²). Wurde der BMI in der EPIC-Oxford-Studie ebenfalls herausgerechnet, war das erhöhte Risiko für Knochenbrüche weniger stark ausgeprägt. Das spricht dafür, dass ein großer Teil des erhöhten Risikos auf den verringerten BMI zurückzuführen ist – und nicht nur auf die geringe Calcium- und Eiweißzufuhr.

Hilft Calcium, Knochenbrüchen vorzubeugen?

Eine calciumarme Ernährung steht oft in Zusammenhang mit einer geringen Knochendichte. Neuere Studien zeigen, dass Mikronährstoff-Präparate mit Calcium zu einer leichten Erhöhung der Knochendichte führen. Ob diese Verbesserung auch zu einem verringerten Knochenbruch-Risiko beiträgt, ist noch nicht abschließend geklärt. Eine erste Studienübersicht spricht jedoch dafür: Calcium oder Calcium und Vitamin D zusammen senkten das Risiko für Knochenbrüche, nicht aber Vitamin D allein. Dies zeigt, dass vor allem Calcium eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Knochenbrüchen einnimmt.

Fazit für die Praxis

Frühere Studien zeigen bereits, dass Vegetarier und Veganer eine niedrigere Knochendichte haben. Ob sie deshalb auch ein höheres Knochenbruch-Risiko haben, ist bisher jedoch nicht vollständig geklärt. Die große EPIC-Oxford-Studie liefert aber erste Hinweise dafür. Das Fazit aus dieser Studienlage ist: Bei einer überwiegend pflanzlichen Ernährung sollte auf eine ausreichende Zufuhr von Calcium und Eiweiß geachtet werden. Dies kann durch eine gut geplante Zusammenstellung der Mahlzeiten erfolgen oder durch Mikronährstoff-Präparate. Untergewicht sollte ebenfalls vermieden werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zählt daher Calcium zu den potenziell kritischen Nährstoffen einer veganen Ernährung und empfiehlt, gegebenenfalls Mikronährstoff-Präparate einzunehmen. Bei einer calciumarmen Ernährung raten Mikronährstoff-Experten zur Einnahme von 200 bis 400 Milligramm Calcium pro Tag. Die Einnahme sollte in Kombination mit Vitamin D (1.000 Internationale Einheiten im Sommer, 2.000 Internationale Einheiten im Winter) und Vitamin K2 erfolgen.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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