Myo-Inositol für Männer: Hilfe bei unerfülltem Kinderwunsch?

Wie der Mikronährstoff den Hormonhaushalt reguliert und die Spermienzahl erhöht

Spermien schwimmen zur Eizelle
Myo-Inositol steigert die Anzahl und Beweglichkeit der Spermien und ist auch an der Befruchtung der Eizelle beteiligt. Bild: iLexx/iStock/Getty Images Plus

Mikronährstoffe sind wichtig für die Zeugungsfähigkeit

Die Ursachen von ungewollter Kinderlosigkeit sind vielfältig. Bei etwa 40 Prozent der betroffenen Paare ist der Mann unfruchtbar. Für die männliche Fruchtbarkeit spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle. Fehlen zum Beispiel antioxidative Mikronährstoffe, sind die Spermien anfällig für oxidative Schäden, was letztendlich zum Absterben der Spermien führt. Die Folge ist eine verringerte Spermienanzahl sowie eine schlechte Beweglichkeit und Lebensfähigkeit der verbleibenden Spermien. In der Medizin spricht man auch von einer geringen Spermienqualität. Darüber hinaus können Störungen der Hormone hinter einem unerfüllten Kinderwunsch stecken.

Eine ausgewogene Ernährung ist deshalb wichtig für die Zeugungsfähigkeit. Mikronährstoffe wie Zink und Selen sind nötig, damit der Körper Spermien produzieren kann. Darüber hinaus regulieren Mikronährstoffe den Hormonhaushalt: Sie werden zum Beispiel für deren Produktion benötigt. Ein wichtiger Stoff dabei ist Myo-Inositol. Dessen Ergänzung könnte sich für Männer zusätzlich lohnen.

Info

Myo-Inositol wird in der Mikronährstoffmedizin bereits bei Frauen mit der Stoffwechselstörung „Polyzystisches Ovarsyndrom“ (PCOS) erfolgreich eingesetzt. Einerseits hilft es bei Symptomen wie einem gestörten Blutzucker. Andererseits verbesserte es in teilweise hochwertigen Studien den Hormonhaushalt sowie die Schwangerschaftsrate. PCOS kann bei Frauen die Ursache für unerfüllten Kinderwunsch sein.

Myo-Inositol verbessert die Spermienqualität

Eine neue Vorstudie aus dem Oktober 2020 zeigt vielversprechende Effekte: Sowohl die Einnahme eines Mikronährstoffmix mit dem Hauptbestandteil Myo-Inositol als auch die Zugabe zum Sperma im Reagenzglas verbesserte die Leistung der Spermien. Unter anderem wurden die Beweglichkeit und die Lebensfähigkeit gesteigert. In dieser Studie wurden Männer mit eingeschränkter Zeugungsfähigkeit mit gesunden Männern verglichen.

Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Vorstudien, sodass Forscher bereits im Mai 2020 einen Review-Artikel veröffentlicht haben. Ein Review dient dazu, die Ergebnisse der vorhandenen Studien zusammenzutragen. Die Forscher halten folgende Effekte für Myo-Inositol fest:

  • verbesserter Haushalt der Hormone
  • höherer Anteil an normal entwickelten Spermien
  • gesteigerte Anzahl an Spermien
  • erhöhte Beweglichkeit der Spermien

Insgesamt schlussfolgern sie, dass Myo-Inositol einen Effekt auf die Qualität der Spermien haben kann. Allerdings fehlen noch hochwertige Studien mit entsprechenden Kontrollgruppen, zum Beispiel einem Scheinmedikament, um die ersten Ergebnisse zu bestätigen.

In einigen Studien wurde Myo-Inositol auch mit anderen Mikronährstoffen kombiniert, darunter zum Beispiel Folsäure, Vitamin B6, Vitamin B12, Vitamin E, Selen, Alpha-Liponsäure und L-Carnitin. Einige davon sind wichtige Antioxidantien, andere wiederum nötig für die Zellteilung sowie Energiegewinnung. Daher ergänzen sie die Wirkung von Myo-Inositol.

Wie wirkt Myo-Inositol auf die männliche Fruchtbarkeit?

Myo-Inositol ist als spezieller Botenstoff („second messenger“) an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt. So liegen Hinweise vor, dass es den Haushalt der Sexualhormone reguliert. Dies wurde zum Beispiel für das follikelstimulierende Hormon (FSH) und für das luteinisierende Hormon (LH) nachgewiesen. Beide Hormone sind beim Mann für die Spermienbildung und -reifung wichtig.

Darüber hinaus vermuten Forscher, dass Myo-Inositol an der eigentlichen Befruchtung der Eizelle beteiligt ist. Zum Beispiel vermitteln Myo-Inositol und andere Inositol-Unterformen die Bindung der Spermien an die Schutzhülle der Eizelle (Zona pellucida) sowie die anschließende Verschmelzung (Akrosomreaktion).

Hinzu kommt, dass Myo-Inositol den Stoffwechsel reguliert. Vor allem bei Frauen mit dem Polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) ist dies untersucht. Die Insulinwirkung, die Blutfettwerte und die Entzündungswerte können so verbessert werden. Eine Vorstudie deutet auf einen solchen Effekt auch bei Männern hin: Die Ergänzung verbesserte die Blutzuckerkontrolle. Bezüglich der Fettwerte sowie des Körpergewichts ist eine Verbesserung möglich, aber statistisch nicht eindeutig gezeigt (nicht signifikant). Ein gestörter Blutzucker, Diabetes mellitus und Übergewicht können Gründe für Unfruchtbarkeit bei Männern sein. Myo-Inositol könnte demnach auch indirekt helfen. 

Fazit und Empfehlung

Bei Frauen sind die Wirkungen von Myo-Inositol auf die Fruchtbarkeit insgesamt besser untersucht. Aber auch bei Männern liegen vielversprechende Hinweise vor. Deshalb kann die Ergänzung bei unerfülltem Kinderwunsch einen Versuch wert sein. Studien, wie sich die Ergänzung auf die Chance einer Schwangerschaft auswirkt, gibt es aber für Männer noch nicht.

Zur Verbesserung der Spermienqualität erhielten die männlichen Teilnehmer in den Studien meist 2.000 Milligramm Myo-Inositol pro Tag für zwei bis drei Monate. In zwei Studien wurden auch 4.000 Milligramm eingesetzt. Es wird empfohlen, diese Dosierung über den Tag verteilt einzunehmen – zum Beispiel zweimal 1.000 bis 2.000 Milligramm.

Darüber hinaus ist eine gesunde Lebensweise für die Fruchtbarkeit wichtig. Dazu gehört eine ausgewogene Ernährung mit vielen weiteren Mikronährstoffen. Welche besonders wichtig sind, erfahren Sie hier. Auch körperliche Bewegung und der Verzicht auf Zigaretten und Alkohol gehören zu den wichtigsten Maßnahmen bei unerfülltem Kinderwunsch.

Verzeichnis der Studien und Quellen

Calogero, A. E. et al. (2015): Myoinositol improves sperm parameters and serum reproductive hormones in patients with idiopathic infertility: a prospective double-blind randomized placebo-controlled study. Andrology. 2015 May;3(3):491-5. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25854593/, abgerufen am: 04.12.2020.

Egarter, C. (2019): Myo-Inositol. Gynäkologische Endokrinologie volume 17, pages11–15(2019). https://link.springer.com/article/10.1007/s10304-018-0223-x, abgerufen am: 04.12.2020.

Montanino Oliva, M. et al. (2016): Effect of Myoinositol and Antioxidants on Sperm Quality in Men with Metabolic Syndrome. Int J Endocrinol. 2016;2016:1674950. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27752262/, abgerufen am: 04.12.2020.

Santoro, M. et al. (2020): Sperm performance in oligoasthenoteratozoospermic patients is induced by a nutraceuticals mix, containing mainly myo-inositol. Syst Biol Reprod Med. 2020 Oct 23;1-14. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33094655/, abgerufen am: 04.12.2020.

Vazquez-Levin, M. H. & Verón, G. L. (2020): Myo-inositol in health and disease: its impact on semen parameters and male fertility. Andrology. 2020 Mar;8(2):277-298. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31637826/, abgerufen am: 04.12.2020.

Über die Autorin

Dr. med. Annette Balz-Fritz

Frau Dr. med Balz-Fritz ist niedergelassene Ärztin mit dem Schwerpunkt Urologie, Proktologie, Ernährungs- und Präventionsmedizin in einer urologischen Gemeinschaftspraxis. Sie erwarb im Februar 2001 die Zusatzqualifikation zur Ernährungsmedizinerin in DAEM/DGEM und qualifizierte sich zum Männerarzt (CMI Institut). Frau Dr. med. Balz-Fritz ist Mitglied bei der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM), bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin und beim Berufsverband Deutscher Ernährungsmediziner.  Wenn ihre Arbeit in der gemeinsamen  Praxis und das Familienleben ihr noch Zeit lassen, treibt sie gerne Sport und ist eine begeisterte Köchin.