Die Scheidenflora bei Kinderwunsch unterstützen

Können gesundheitsförderliche Bakterien die Fruchtbarkeit bei Frauen steigern?

Frau hält eine rote Blume
Eine gesunde Scheidenflora schützt vor Scheideninfektionen und Scheidenpilz. Neue Studien zeigen, dass sie zudem die Fruchtbarkeit beeinflussen kann. Bild: iStock.com/AtlasStudio

Gesunde Darmflora – gesunde Scheide

Gesundheitsförderliche Bakterien (Probiotika) sind für ihre günstige Wirkung auf die Darmgesundheit bekannt. Aber auch ihr Einfluss auf die Scheidengesundheit gerät zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. In Darm und Scheide (Vagina) leben natürlicherweise zahlreiche Mikroorganismen wie Bakterien. Sie haben dort wichtige Funktionen. Was aber zählt, sind ihre Anzahl und Zusammensetzung. Das hat sogar Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wie neue Studien zeigen. Dieser Blogartikel untersucht das Thema genauer.

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Die Darmflora kann das Gleichgewicht der Scheidenflora beeinflussen. Anal- und Vaginalbereich sowie die Harnwege liegen nahe beisammen und sind keine „dichten“, also abgeschlossenen Bereiche. Dadurch gelangen Bakterien sehr leicht aus dem Darm zur Scheide.

Die Rolle von Laktobazillen in der Scheide

Die meisten Bakterienarten in der Scheide zählen zu den Laktobazillen („Döderleinflora“). Typisch für die Vagina sind Lactobacillus (L.) crispatus, L. gasseri, L. iners und L. jensenii.

Laktobazillen erzeugen in der Scheide ein gesundes Klima, weil ihr Stoffwechsel ansäuernd wirkt. Dabei unterstützt der Körper das bakterielle Wachstum: In der Schleimhaut der Scheide wird unter dem Einfluss des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen eine Form von Stärke (Glykogen) gebildet. Laktobazillen leben davon und stellen daraus Milchsäure her. Diese säuert die Scheide leicht an. In einer sauren Umgebung können sich schädliche Mikroorganismen nicht oder nur schlecht vermehren. Darüber hinaus bilden Laktobazillen eine Reihe anderer antibakteriell wirksamer Stoffe wie Wasserstoffperoxid. In der Summe können in diesem Klima keine schlechten Keime überleben.

Dysbiose – wenn das Gleichgewicht der Bakterien gestört ist

Das Gleichgewicht der Scheidenflora kann leicht gestört werden, zum Beispiel durch einen ungesunden Lebensstil, übertriebene Intimhygiene, Stress, die Antibabypille oder Antibiotika. Dabei schwankt die Besiedelung sehr stark, je nach Hormonstatus und Lebensphase.

Sind dann zu wenig Laktobazillen vorhanden, können schädliche Bakterien überhandnehmen – darunter Prevotella und Gardnerella oder Pilze wie Candida. In der Folge dieses Ungleichgewichts (Dysbiose) treten öfter bakterielle Scheideninfektionen (Vaginosen) oder Scheidenpilz (Vaginalpilz)  auf. Das belastet den Alltag, das Wohlbefinden und die Partnerschaft mitunter stark. Zudem wird die Fruchtbarkeit beeinträchtigt, wodurch es schwieriger ist, schwanger zu werden.

Scheidenflora und Fruchtbarkeit – so hängt beides zusammen

Knapp 40 Prozent der unfruchtbaren Frauen haben laut einer Übersichtsarbeit eine gestörte Scheidenflora. Diese Dysbiose der Scheidenflora kann die Fruchtbarkeit über unterschiedliche Wege beeinträchtigen und den Kinderwunsch gefährden:

  • Das Risiko für sexuell übertragbare Erkrankungen durch Chlamydien und humane Papillomaviren (HPV) steigt. Dann ist es schwerer, schwanger zu werden.
  • Schädliche Bakterien in der Scheide stehen in Verbindung mit einer geringeren Schwangerschaftsrate bei künstlicher Befruchtung, wie Untersuchungen zeigen.
  • Schwangerschaftskomplikationen kommen häufiger vor, etwa eine Frühgeburt oder späte Fehlgeburt.

Probiotika bei unerfülltem Kinderwunsch: Das sagt die Forschung

Eingenommene Bakterien verbreiten sich sehr schnell im Körper. In einer Studie waren Laktobazillen bereits eine Woche nach Einnahme in der Scheide nachweisbar. Sie könnten daher bei einer Dysbiose helfen, eine gesunde Scheidenflora wiederherzustellen. Das dürfte sich auch positiv auf die Fruchtbarkeit auswirken, wie eine erste Studie zeigte:

Ein Probiotikum mit Ligilactobacillus salivarius führte bei Frauen mit Unfruchtbarkeit ohne bekannte Ursache in fast 70 Prozent der Fälle zu einer erfolgreichen Schwangerschaft. Zuvor erlitten die Teilnehmerinnen entweder wiederholte Fehlgeburten oder es blieben mindestens drei Versuche der künstlichen Befruchtung ohne Erfolg. Allerdings fehlte eine Vergleichsgruppe mit Frauen, die kein Probiotikum bekamen. Das Bakterium verbesserte jedoch auch einige Werte, die Aufschluss über die Gesundheit der Scheidenflora geben – wie den Säurewert (pH-Wert), die Anzahl der Laktobazillen und bestimmte Botenstoffe, welche für die Einnistung und Entwicklung des Embryos wichtig sind (zum Beispiel Transforming Growth Factor β). Diese Verbesserung haben sich vermutlich förderlich auf den Schwangerschaftserfolg ausgewirkt. Außerdem nehmen die Forscher an, dass Ligilactobacillus salivarius schädliche Keime verdrängt, welche wiederum die Einnistung des Embryos beeinträchtigen können.

In anderen Studien war der Erfolg deutlich geringer, darum müssen für eine Empfehlung noch weitere Untersuchungen folgen.

Expertenwissen

Probiotika sind nicht nur bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sinnvoll: Auch Männer könnten profitieren. Studien zeigen, dass Probiotika die Spermienanzahl und -beweglichkeit verbessern. Mehr Informationen zur Mikronährstofftherapie für Männer mit Kinderwunsch finden sie hier.

Fazit: mit Probiotika die Scheidenflora stärken

Bei unerfülltem Kinderwunsch sollte neben weiteren möglichen Ursachen auch eine Dysbiose der Scheidenflora in Betracht gezogen werden. Ist dies der Fall, könnte ein Präparat mit Laktobazillen helfen. Es muss jedoch in weiterführenden Studien herausgefunden werden, welche Bakterien in welcher Dosierung am besten sind.

Bei Kinderwunsch empfehlen Mikronährstoff-Experten Frauen neben anderen Mikronährstoffen oft ein Probiotikum mit 1 bis 10 Milliarden koloniebildenden Einheiten (1 bis 20 x 109) Bakterien pro Tag. Die Einnahme sollte zum Essen erfolgen. Probiotika werden am besten über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen. Sobald man damit aufhört, sinkt auch die Zahl der probiotischen Bakterien wieder.

Auch wenn sich eine Schwangerschaft einstellt, kann die Einnahme fortgeführt werden. Nehmen Mütter während der Schwangerschaft Probiotika ein, wirkt sich das wahrscheinlich positiv auf das Risiko für allergische Hautreaktionen des Säuglings aus.

Bei akuten Beschwerden – zum Beispiel bei Scheidenpilz – kommen Probiotika außerdem zur vaginalen Anwendung infrage. Diese sind als Tabletten, Kapseln oder Zäpfchen erhältlich und werden täglich vor dem Schlafengehen in die Scheide eingeführt. Eine Kapsel für die vaginale Anwendung enthält meist 100 Millionen Milchsäurebakterien (1 x 108 koloniebildende Einheiten). Die Dauer der Therapie sollte mit dem Arzt besprochen werden – bei Scheidenpilz erfolgt sie in der Regel eine Woche lang.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über die Autorin

Dr. med. Annette Balz-Fritz

Frau Dr. med Balz-Fritz ist niedergelassene Ärztin mit dem Schwerpunkt Urologie, Proktologie, Ernährungs- und Präventionsmedizin in einer urologischen Gemeinschaftspraxis. Sie erwarb im Februar 2001 die Zusatzqualifikation zur Ernährungsmedizinerin in DAEM/DGEM und qualifizierte sich zum Männerarzt (CMI Institut). Frau Dr. med. Balz-Fritz ist Mitglied bei der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin (DAEM), bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin und beim Berufsverband Deutscher Ernährungsmediziner.  Wenn ihre Arbeit in der gemeinsamen  Praxis und das Familienleben ihr noch Zeit lassen, treibt sie gerne Sport und ist eine begeisterte Köchin.