Kurzkettige Fettsäuren: Bedeutung für Darm und Körper

Wie Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure wirken und von welchen Ballaststoffen man sie bekommt

Holzkelle mit Getreidekleie
Kurzkettige Fettsäuren entstehen im Darm aus fermentierbaren Ballaststoffen – zum Beispiel aus Arabinoxylan, das in Getreidekleie vorkommt. Bild: pogrebkov/iStock/Getty Images Plus

Ballaststoffe für eine gesunde Mikrobiota

Ein gesunder Darm ist wichtig für die Gesundheit des gesamten Körpers. Forscher zeigten in den letzten Jahren unzählige Male, dass eine gestörte Darmflora (Mikrobiota) mit verschiedenen Krankheitenzusammenhängen kann – zum Beispiel mit Stoffwechselerkrankungen oder entzündlichen Darmerkrankungen.

Wichtig für einen gesunden Darm sind Ballaststoffe. Eine ballaststoffreiche Ernährung wird mit einer guten Gesundheit in Verbindung gebracht. Ein wichtiger Mechanismus dabei ist die Bildung von kurzkettigen Fettsäuren: Aus Ballaststoffen entstehen bestimmte Fettsäuren, die viele positive Wirkungen haben.

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Ballaststoffe sind unverdauliche Kohlenhydrate, die unsere Verdauungsenzyme nicht spalten können. Deshalb werden sie im Dünndarm nicht aufgenommen. Sie gelangen in den Dickdarm und werden dort von den Bakterien verstoffwechselt.

Definition: Was sind kurzkettige Fettsäuren?

Kurzkettige Fettsäuren sind Fettsäuren, die chemisch gesehen aus kurzen Ketten mit zwei bis sechs Kohlenstoffatomen bestehen. Sie sind wichtige Stoffwechsel-Endprodukte im Darm und entstehen bei der Fermentation von Nahrungsbestandteilen durch die Darmbakterien.

Die wichtigsten kurzkettigen Fettsäuren, die aus Ballaststoffen entstehen, sind: Essigsäure (Acetat), Propionsäure (Propionat), Buttersäure (Butyrat) und Milchsäure (Laktat). Milchsäure wird durch die Bakterien hauptsächlich in die anderen kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt (Cross-feeding). Neben Ballaststoffen wird auch eine gewisse Menge an Eiweißen im Darm fermentiert. Daraus entstehen überwiegend Essigsäure und Propionsäure sowie andere Fettsäuren (verzweigtkettige Fettsäuren).

Im Normalfall hat Essigsäure einen Anteil von mehr als die Hälfte (60 Prozent). Propionsäure und Buttersäure sind in einem etwas geringeren Maße vorhanden (jeweils 20 Prozent). Das richtige Verhältnis ist wichtig für einen gesunden Darm.

Funktionen: wie kurzkettige Fettsäuren im Darm wirken

Der Großteil an kurzkettigen Fettsäuren verbleibt entweder im Darminneren oder gelangt in die Zellen der Darmschleimhaut. Weniger als 10 Prozent werden mit dem Stuhl ausgeschieden.

Einerseits gewinnen die Darmbakterien aus ihnen Energie. Andererseits dienen sie auch den Zellen der Dickdarmschleimhaut als Energielieferant. Das gilt vor allem für Buttersäure. Darüber hinaus säuern kurzkettige Fettsäuren den Dickdarm an. Ein niedriger pH-Wert hemmt das Wachstum von krankmachenden Bakterien und Pilzen. Damit sorgt er für eine gesunde Mikrobiota.

Außerdem dienen kurzkettige Fettsäuren im Darm als Signalmoleküle. Buttersäure reguliert zum Beispiel die Zellteilung. Im Hinblick auf Buttersäure wird deshalb unter anderem eine Antikrebswirkung diskutiert. Ebenfalls haben kurzkettige Fettsäuren zusammen mit den Darmbakterien Einfluss auf das Immunsystem. Vor allem Buttersäure unterdrückt Entzündungsreaktionen. Deshalb ist es Ziel der Mikronährstoffmedizin, bei Entzündungen im Darm die Menge an Buttersäure zu erhöhen – zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Auch stärkt Buttersäure die Barrierefunktion. Damit ist die Darmschleimhaut besser abgedichtet. Das ist wichtig, damit keine Fremdstoffe oder Krankheitserreger über den Darm in das Blut gelangen.

Weitere Wirkungen von kurzkettigen Fettsäuren im Körper

Kurzkettige Fettsäuren, die nicht von den Dickdarmzellen für die Energiegewinnung verbraucht werden, verlassen die Zellen und gelangen zur Leber. Propionsäure wird hauptsächlich in der Leber  verstoffwechselt. Deshalb findet man davon nur geringe Mengen im Blut. Gleiches gilt für Buttersäure. Essigsäure kommt dagegen am meisten im Blutkreislauf vor. Über das Blut erreichen die kurzkettigen Fettsäuren andere Organe. Sie beeinflussen unter anderem Folgendes:

  • Appetit: Kurzkettige Fettsäuren wirken im Stoffwechsel als Signalmoleküle. Sie fördern zum Beispiel die Bildung von Hormonen, die das Sättigungsgefühl regulieren (Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1)). Deshalb könnten kurzkettige Fettsäuren Einfluss auf das Körpergewicht haben.
  • Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel: Forscher zeigten, dass kurzkettige Fettsäuren die Zuckerverwertung steigern sowie die körpereigene Bildung von Cholesterin herabsetzen. Dadurch könnten sie Einfluss nehmen auf Typ-2-Diabetes und auf Störungen im Fettstoffwechsel.
  • Entzündungen: Kurzkettige Fettsäuren lindern nicht nur Entzündungen im Darm, sie könnten auch Entzündungen im gesamten Körper abschwächen – zum Beispiel sogenannte stille Entzündungen. Deshalb diskutieren Forscher einen Einfluss auf Arterienverkalkung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  • Nervensystem und Gehirn: Kurzkettige Fettsäuren können Nervenzellen im Körper schützen sowie ihre Regeneration unterstützen. Zudem gelangt Essigsäure aus dem Blut in das Gehirn. Dort kann sie Hormone und Nervenbotenstoffe beeinflussen. Krankheiten, auf die kurzkettige Fettsäuren positiven Einfluss nehmen könnten, sind zum Beispiel Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder Depressionen.

Wie kann man die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren beeinflussen?

Je nachdem, was wir essen, verändert sich die Produktion der kurzkettigen Fettsäuren im Darm. Ernährt man sich zum Beispiel sehr ballaststoffarm und gleichzeitig fleisch- sowie eiweißreich, findet man im Darm hauptsächlich Essig- und Propionsäure. Die entzündungshemmende Buttersäure bekommt man über Ballaststoffe. Zudem ist die Zusammensetzung der Mikrobiota ausschlaggebend: Bestimmte Bakterien bilden eher Essigsäure, während andere Propion- und Buttersäure produzieren.

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Einige Lebensmittel enthalten auch direkt kurzkettige Fettsäuren – zum Beispiel Kuhmilch und daraus hergestellte Lebensmittel wie Butter und Käse (vor allem Emmentaler). Zudem gibt es erste Vorstudien, in denen Präparate mit kurzkettigen Fettsäuren eingesetzt wurden. Allerdings werden kurzkettige Fettsäuren aus Lebensmitteln oder Präparaten schnell ins Blut aufgenommen, bevor sie im Dickdarm ankommen. Steht die Wirkung im Darm im Vordergrund, sollte man daher auf Ballaststoffe zurückgreifen. So werden die kurzkettigen Fettsäuren erst im Darm gebildet. Ihre Ergänzung über Präparate muss darüber hinaus noch weiter erforscht werden.

Welche Ballaststoffe sind für die Darmtätigkeit am besten?

Ballaststoffe unterscheiden sich in ihren Eigenschaften. Damit Darmbakterien aus ihnen kurzkettige Fettsäuren herstellen können, müssen sie fermentierbar sein. Man nennt sie auch lösliche Ballaststoffe oder Präbiotika. Das gilt für:

  • Arabinoxylan aus Weizenkleie
  • Beta-Glucane aus Haferkleie
  • Fructooligosaccharide (FOS)
  • Flohsamen
  • Guarkernmehl
  • Inulin
  • Pektin
  • resistentes Dextrin
  • resistente Stärke

Liegt der Fokus auf Buttersäure, ist vor allem resistente Stärke eine wichtige Quelle.

Unlösliche Ballaststoffe werden dagegen kaum von den Darmbakterien genutzt. Dazu gehören Cellulose, Hemicellulose und Lignin.

Welche Bakterien produzieren kurzkettige Fettsäuren?

Der Zusammenhang zwischen Ballaststoffen, der Mikrobiota sowie der Gesundheit ist relativ gut bekannt. Es gibt viele Studien an Menschen, die zeigen, dass sowohl Ballaststoffe als auch Probiotika Einfluss auf die Gesundheit haben. Probiotische Bakterien sind gesundheitsförderliche Bakterien, die sich im Darm ansiedeln. Sie produzieren unter anderem kurzkettige Fettsäuren. Man kann sie in Form von Präparaten (Probiotika) ergänzen.

Doch es ist momentan noch schwierig vorauszusagen, welche Bakterien man ergänzen müsste, um gezielt die Bildung einer bestimmten kurzkettigen Fettsäure zu beeinflussen. Die meisten Daten stammen aus dem Labor.

Generell kann man aber sagen, dass Bakterien der Gruppe „Bacteroidetes“ hauptsächlich Essig- und Propionsäure produzieren. Bakterien aus der Gruppe „Firmicutes“ bilden dagegen vermehrt Buttersäure. Vertreter der Firmicutes sind zum Beispiel Streptococcus und Lactobacillus. Die Gattung Bifidobacterium  gehört zu den sogenannten Actinobakterien und produziert vermehrt Essigsäure.

Empfehlung für die Praxis

Ballaststoffe sind für die Gesundheit unverzichtbar. Ein Grund ist ihre Umwandlung zu kurzkettigen Fettsäuren durch die Darmbakterien. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät dazu, täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe aufzunehmen – zum Beispiel über Gemüse und Vollkornprodukte. Möchte man die Bildung der kurzkettigen Fettsäuren anregen, eignen sich beispielsweise besonders Hafer- oder Weizenkleie, Flohsamen sowie resistente Stärke – zum Beispiel aus kalten gekochten Kartoffeln.

Die empfohlene Menge erreichen allerdings die wenigsten. Vor allem bei Darm-, Stoffwechsel- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen können deshalb Ballaststoffpräparate sinnvoll sein. Je nach Ballaststoff liegen die empfohlenen Dosierungen zwischen 5 und 25 Gramm pro Tag. Für resistente Stärke wird beispielsweise oft eine Dosierung von 20 bis 25 Gramm empfohlen. Begleitend sollte ausreichend getrunken werden – zum Beispiel 1,5 bis 2 Liter pro Tag. Da sich der Darm häufig erst an die höhere Ballaststoffzufuhr gewöhnen muss, sollte man mit einer geringen Dosierung beginnen. Schritt für Schritt über einige Wochen hinweg kann die Menge dann gesteigert werden.

Für einen optimalen Nutzen kann es sinnvoll sein, Ballaststoffe (Präbiotika) mit Probiotika zu kombinieren. Hier eignet sich am besten ein Präparat, das verschiedene Bakterienstämme enthält – zum Beispiel Laktobazillen und Bifidobakterien in einer Dosierung von 10 Milliarden Keime pro Tagesportion. So ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass sie lebend im Darm ankommen. Zudem ergänzen sich einzelne Bakterien in ihrer Wirkung. Zwar enthalten auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut oder Joghurt probiotische Bakterien. Die Menge ist jedoch oft geringer und man müsste sie täglich essen. Präparate sind häufig praxistauglicher.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über die Autorin

Dr. med. Elke Mantwill

Frau Dr. med. Mantwill ist niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Phlebologie und Akupunktur. Die Tätigkeitsschwerpunkte in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis sind Ernährungs- und Sportmedizin. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der Orthomolekular-Medizin und ist seit 2002 als Referentin im Bereich der Ernährungs- und Orthomolekular-Medizin aktiv. Als begeisterte Ausdauersportlerin führt sie zudem Ernährungsberatungen für Leistungssportler durch.