„Futter“ für ein gesundes Gehirn

Wie Vitamine, Fettsäuren und Co. von Anfang an die Entwicklung und Funktion des Gehirns unterstützen

Lebensmittel die wichtig für das Gehirn sind
Das Gehirn benötigt Mikronährstoffe, um gut zu funktionieren. Fehlen diese, kann die geistige Leistungsfähigkeit abnehmen. Bild: iStock.com/thesomegirl

Das Gehirn als wichtige Steuerzentrale

Unser Gehirn steuert alle überlebenswichtigen Körperfunktionen wie den Kreislauf, die Atmung oder den Schlaf. Seine etwa 100 Milliarden Nervenzellen und alle Grundfunktionen sind bereits zum Zeitpunkt der Geburt vollständig vorhanden. Entscheidend sind aber die erlernbaren Fähigkeiten, Intellekt und Intelligenz. In den ersten Lebensjahren bilden sich beim Lernen rasch Verbindungen zwischen den Nervenzellen (Synapsen), die zusammen ein Netzwerk bilden. Darin sind alle erlernten Fähigkeiten gespeichert. Die Entstehung der Verbindungen wird mit den Jahren langsamer. Nach der Pubertät ist dieser Vorgang größtenteils abgeschlossen. Aber die Fähigkeit zu lernen bleibt bis ins hohe Alter erhalten.

Für die Entwicklung und Gesundheit des Gehirns sind demnach besonders die Kindheit und Jugend entscheidend. Im Verlauf des Lebens passt sich das Gehirn fortwährend an. So ist die Neubildung und Regeneration von Nervenzellen und Synapsen durch bestimmte Reize möglich. Genetik, Umwelteinflüsse und Wechselwirkungen zwischen Gehirn und anderen Organen wie dem Darm spielen dabei eine Rolle.Vor allem die Ernährung gehört zu den Faktoren, mit denen man die Gehirngesundheit beeinflussen kann.

Kinderernährung: Kluft zwischen Empfehlungen und Praxis

Die Praxis zeigt, dass Ernährungsempfehlungen für Kinder oft nicht umgesetzt werden. Eine große Beobachtungsstudie (HELENA-Studie) erfasste die Ernährungsgewohnheiten von Schulkindern in zehn europäischen Ländern inklusive Deutschland. Laut der Studie nahmen die Kinder bis zu 3.300 Kilokalorien pro Tag auf. Zum Vergleich: Die Empfehlung des Forschungsdepartments für Kinderernährung (FKE) liegt deutlich darunter mit täglich 2.200 Kilokalorien für Mädchen und 2.700 Kilokalorien für Jungen im Alter von 13 bis 14 Jahren.

Die hohe Energiezufuhr kam hauptsächlich zustande durch ungesunde Lebensmittel wie gesüßte Softdrinks, Schokolade und süße Teigwaren. Die empfohlenen Mengen an mikronährstoffreichen Lebensmitteln wie Gemüse und Obst wurden oftmals nicht erreicht.Dadurch dürfte der Bedarf an Mikronährstoffen nicht gedeckt sein. Das Gehirn braucht jedoch bestimmte Mikronährstoffe, um gut zu funktionieren.

Folgen einer ungesunden Ernährung für die Hirngesundheit

Eine langfristige Fehlernährung hat Folgen. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind übergewichtig oder sogar fettleibig (adipös). Forschungen zufolge zeigen Jugendliche mit Fettleibigkeit (Adipositas) strukturelle Veränderungen im Gehirn: Sie haben unter anderem einen verkleinerten Hippocampus – der Teil des Gehirns, der zum Beispiel für die Speicherung von Erlebnissen im Langzeitgedächtnis bedeutend ist. Dies wirkt sich negativ auf die Gehirngesundheit aus und kann beispielsweise Rechtschreibung, Rechnen und die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, die Energiezufuhr im Blick zu haben: Übergewicht sollte in jedem Fall vermieden werden.

Nicht nur das Übergewicht, sondern auch ein Mangel an Mikronährstoffen, die das Gehirn braucht, beeinträchtigen die geistige Leistungsfähigkeit. Das zeigt sich bei Kindern unter anderem durch schlechte Schulnoten.

Info

Ein Mangel an Mikronährstoffen (zum Beispiel Vitamin D) steht im Zusammenhang mit der Entwicklung von psychischen Erkrankungen wie Depression oder Nervenerkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Ein frühes Erkennen und Beheben von Nährstoffmängeln dürften das Risiko für diese Erkrankungen verringern.

 

Mit welchen Mikronährstoffen können wir unser Gehirn „füttern“?

Mikronährstoffe nehmen Einfluss auf die Entwicklung und unterstützen die Funktion des Gehirns. Zu den sogenannten „Hirnnährstoffen“ (englisch: „Brain Nutrients“) zählen die folgenden:

  • Vitamin D ist an der Bildung und Reifung sowie an dem Schutz von Nerven beteiligt. Im Gehirn gibt es viele Stellen, an denen Vitamin D wirkt (Rezeptoren). Auch das Enzym, das für die Umwandlung von Vitamin D in seine aktive Hormonform zuständig ist, wurde in unterschiedlichen Hirnregionen nachgewiesen. Das unterstreicht die Wichtigkeit von Vitamin D für die Hirngesundheit.
  • Omega-3-Fettsäuren (Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA)) sind essenziell für den Aufbau der Gehirnstrukturen und für die Intelligenz. Die Umhüllungen der Nervenzellen enthalten auch Omega-3-Fettsäuren. Sie spielen eine Rolle bei der Signalleitung und -übertragung zwischen den Nervenzellen.
  • Eisen und Magnesium sind im Energiestoffwechsel und der Sauerstoffversorgung der Nervenzellen beteiligt.
  • B-Vitamine braucht der Körper für die Energiegewinnung. Für das Nervensystem und die kognitive Leistungsfähigkeit spielen sie deshalb eine zentrale Rolle. Auch die Herstellung vieler Botenstoffe hängt davon ab.
  • Antioxidantien wie Vitamin C, E, Carotinoide und Polyphenole schützen die Nervenzellen vor oxidativen Schäden durch freie Radikale. Freie Radikale sind sehr reaktive Moleküle, die Erbgut und Zellumhüllungen beschädigen können.
  • Jod ist wichtig für die Bildung von Schilddrüsenhormonen. Diese spielen wiederum eine Rolle bei der Gehirnentwicklung und -funktion.

Eines haben einige der Hirnnährstoffe gemein: Ihre Versorgung ist laut großen Beobachtungsstudien oft unzureichend. Das trifft insbesondere auf Vitamin D, Eisen und Jod zu. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen ist dies gravierend, da sich in dieser Lebensphase das Gehirn am meisten entwickelt.

Die Versorgung mit Hirnnährstoffen verbessern – sind Präparate notwendig?

Um die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu fördern, ist es insbesondere für Kinder und Jugendliche wichtig, mit der Ernährung täglich ausreichend Hirnnährstoffe zuzuführen. Eltern sollten bewusst für eine gesunde Ernährung sorgen und ausreichend Gemüse und Obst anbieten (jeweils mindestens 300 Gramm pro Tag).

Außerdem sollten Eltern für viel Bewegung im Freien sorgen. Das ist nicht nur gut für Gewicht und motorische Entwicklung, sondern auch die Vitamin-D-Versorgung: Das Vitamin wird hauptsächlich über die Haut durch Sonnenlicht gebildet. Es empfiehlt sich, den Vitamin-D-Spiegel (25(OH)D) mindestens einmal im Jahr beim Kinderarzt überprüfen zu lassen: Optimal sind Werte von 40 bis 60 Nanogramm pro Milliliter. Als Basisabsicherung sollten Kinder und Jugendliche etwa 400 bis 800 Internationale Einheiten Vitamin D in Form von Präparaten ergänzen. Das ist besonders im Winter sinnvoll, wo die Sonnenstrahlung für die eigene Bildung nicht ausreicht. Je nach gemessenem Spiegel ordnen Mikronährstoff-Experten zeitweise auch höhere Dosierungen an.

DHA, EPA und Jod sind in fettem Seefisch wie Lachs und Hering sowie in Algen enthalten – beides Lebensmittel, die meist nicht zu den bevorzugten Speisen von Kindern gehören. Um die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern, können Kinder EPA und DHA mit Präparaten ergänzen. Dabei bieten sich 250 bis 500 Milligramm EPA und DHA am Tag an. Wenn Konzentrationsprobleme bestehen, sind teilweise auch höhere Dosierungen sinnvoll – zum Beispiel 1.000 Milligramm für sechsjährige Kinder. Die Versorgung kann im Blut mithilfe des Omega-3-Index überprüft werden.Der gemessene Wert sollte über acht Prozent liegen.

Die Jodversorgung kann durch mit Jod angereichertes Speisesalz verbessert werden. Für Kinder ab vier Jahren kommt als Basisabsicherung ein Präparat mit 100 Mikrogramm Jod infrage. Da Jod überdosiert werden kann, muss die sichere Obergrenze für Kinder berücksichtigt werden. Diese liegt bei 250 Mikrogramm (vier bis sechs Jahre) und 300 (sieben bis zehn Jahre) pro Tag. Speziell Algen enthalten zum Teil sehr hohe Mengen Jod.

Prinzipiell kann die Versorgung mit Antioxidantien, Eisen, Magnesium und B-Vitaminen mit Lebensmitteln abgedeckt werden. Ein Mangel dieser Hirnnährstoffe kann sich jedoch beispielsweise bei Vegetariern und Veganern entwickeln. Nach Laborkontrolle und in Absprache mit einem Mikronährstoff-Experten ist gegebenenfalls die Ergänzung mit Präparaten nützlich.

Tipp

Untersuchungen zeigen, dass Kombinationspräparate die geistige Leistungsfähigkeit bei Kindern steigern können: So verbesserte sich die Schulleistung durch die Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen. Die Einnahme eines Präparates mit niedrig dosierten Mikronährstoffen, welches auf die Bedürfnisse von Kindern abgestimmt ist, kann daher sinnvoll sein. Insbesondere Kinder mit ungesunden Ernährungsgewohnheiten dürften profitieren.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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